Lynettes Erwachen
verstehen. Mein Vater konnte meiner Mom nicht das geben, was sie brauchte, und das hat ihn und ihre Liebe zerstört. Das gleiche Verlangen ist in mir. Es macht mir Angst. Ich will nicht wie sie sein.“
„Du bist nicht wie sie, Lynette. Hör auf, dir das einzureden. Was fühlst du jetzt, in diesem Moment?“
„Sehnsucht“, brach es aus ihr heraus.
„Wonach?“, schoss Justine die nächste Frage hinterher.
„Nach ihm, nach Elias. Nach der Art, wie er mich ansieht, wie er bis auf den Grund meiner Seele sieht. Ich sehe sein Lachen vor mir, das dämonische Grinsen, wenn er mich wieder reingelegt hat und mein Stolz es nicht zulässt, ihm nicht zu antworten. Ich vermisse seine Hände auf meiner Haut, die Wärme …“
„Nicht seinen Schwanz?“
Entrüstung stand in Lynettes Augen. „Wie sollte ich? Ich kenne seinen Schwanz nicht.“
„Deine Mutter hätte jetzt einzig und allein ans Ficken gedacht. Du bist ganz und gar nicht wie sie, und Elias ist nicht dein Vater. Vielleicht liegt das ganze Geheimnis darin, dass sich deine Eltern nie hätten ineinander verlieben dürfen.“
„Ich möchte ihn gern sehen“, flüsterte Lynette.
„Fahr nach London und geh heute Abend in den Club.“
„Nein, ich meinte meinen Vater. Seit dreizehn Jahren habe ich ihn nicht gesehen.“
„Nimm dir Urlaub und fliege nach L.A.“
„Das geht nicht. Ich kann keinen Urlaub machen.“
Verärgert seufzte Justine. „Ramsey glaubt sowieso, dass er ohne dich klarkommt. Das wäre die beste Gelegenheit, ihm vor Augen zu führen, was er an dir hat.“
„So meinte ich das nicht. Am Montag werde ich bei Ramsey kündigen. Ich steige bei Benjamin in die Kanzlei ein.“
„Was? Du hast immer behauptet, dass es dich nicht weiterbringt, in einer Zweimannkanzlei zu arbeiten.“
„Mit Andrew vor der Nase komme ich erst recht nicht weiter. Ich möchte nicht ewig Anwältin bleiben, sondern zur Staatsanwaltschaft wechseln. Das war immer mein Traum.“
„Davon wusste ich ja gar nichts.“
„Das habe ich bloß Elias erzählt.“ Lynette holte tief Luft und schien jetzt ruhiger zu sein. „Sag mal, hast du Hunger? Ich sterbe vor Hunger.“
Justine erhob sich und reichte Lynette die Hand. „Wann hast du das letzte Mal was gegessen?“
„Irgendwann gestern“, sagte Lynette und nahm Justine in die Arme. „Ich danke dir, dass du hier bist. Du bist die Beste.“
Kapitel 8
Leise fluchend drückte Elias zum wiederholten Mal auf die Klingel und lauschte in die Stille. In der Hand hielt er das Handy. Seit Stunden versuchte er, Lynette zu erreichen. Sie war wie vom Erdboden verschluckt.
Die Sorge um sie wurde immer größer. Er hätte sie nicht allein lassen dürfen. Nicht, nachdem er sie so durcheinandergebracht hatte. Deutlich sah er das überraschte Funkeln in ihren Augen und die Furcht, die sie empfunden hatte, bevor er gegangen war. Sie hatte ihn angelächelt, doch war zutiefst beunruhigt und erschüttert gewesen. Nein, er hätte bleiben müssen und mit ihr reden. „Wo bist du, verflucht?“
Noch einmal wählte er die Nummer, hatte aber nur die Mailbox dran. Noch nie hatte er eine derartige Beklemmung in sich gefühlt, und es machte ihn wahnsinnig. Sie war eine erwachsene Frau, und er hatte ihr nichts getan, außer ihr Lust zu bereiten. Warum, um alles in der Welt, machte er sich Sorgen um sie?
„Weil sie verletzlicher ist, als du gedacht hast“, beantwortete er die Frage selbst und stieg in den Wagen. Er starrte auf den Beifahrersitz, sah Lynette vor sich, wie sie verlegen die Finger knetete, das lüsterne Funkeln in den Augen, und spürte die Hitze und das Verlangen der vergangenen Nacht. Sie hätte ihn nicht abgewiesen. Warum hatte er nicht mit ihr geschlafen? Er war so geil gewesen, dass er sich zweimal hintereinander einen hatte runterholen müssen. Warum hatte er sich bei ihr zurückgehalten?
Elias trat aufs Gas, jagte Adrenalin durch seine Adern und versuchte, den Kopf freizubekommen. Er wusste, dass sie am Dienstag einen Gerichtstermin hatte. Bis dahin würde sie wieder auftauchen und wer weiß: Vielleicht kam sie ja noch in den Club.
Samstagabend, und es war brechend voll im Avec Plaisir . Scheinbar hatte die gestrige Razzia keine Auswirkungen auf das Geschäft. Als Elias die Bar betrat, schoss ungehindert Lust in seinen Schwanz. Die Atmosphäre des Clubs erregte ihn – und Annette. Sie stand lässig an die Theke gelehnt und schwatzte mit Ryan. Der schlanke Körper steckte in einem roten Spitzenmieder und
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