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Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse

Titel: Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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aufzustehen, oft schon bei Sonnenaufgang, und danach sein Frühstück aus Früchten, süßem Backwerk, Rosinen und vielleicht noch ein paar marinierten Austern einzunehmen. Er frühstückte stets allein. Zu dieser frühen Stunde war ihm die Gegenwart anderer Menschen zuwider und vergällte ihm die Laune für den Rest des Tages.
    Der Sommer wich dem Herbst. Die luftige Weite des Himmels über dem Evandertal verschwamm in diesiger Trübe. Carfilhiot fühlte sich nervös und unbehaglich, aus Gründen, die er nicht zu bestimmen vermochte. Tintzin Fyral diente vielen seiner Zwecke in hervorragender Weise, dennoch blieb es ein einsamer, abgelegener Ort, eine Stätte der Öde und Abgeschiedenheit, welche ihm die Bewegungsfreiheit versagte, die für andere Magier, solche von höherem Rang – Carfilhiot sah sich als Magier – eine alltägliche Selbstverständlichkeit war. Seine Launen, Eskapaden, Grillen und Kaprizen – vielleicht waren sie nichts weiter als Einbildungen. Die Zeit verstrich, und trotz seiner augenfälligen Betriebsamkeit war er seinen Zielen nicht einen Deut näher gekommen. Hatten seine Feinde – oder seine Freunde – sich verschworen, ihn zu isolieren, ihn in Untätigkeit und Wirkungslosigkeit zu halten? Carfilhiot stieß ein mürrisches Knurren aus. Das konnte nicht sein, aber wenn es doch so war, dann spielten sie ein gefährliches Spiel.
    Im Jahr zuvor hatte Tamurello ihn nach Faroli bestellt, in jenes wunderliche Haus aus Holz und buntem Glas, tief im Innern des Waldes. Nach drei Tagen erotischer Kurzweil saßen die zwei beim Feuer, starrten in die Flammen und lauschten dem Prasseln des Regens. Es war Mitternacht. Carfilhiot, dessen unsteter Geist niemals Ruhe fand, sagte: »Fürwahr, es ist nun an der Zeit, daß du mich die magischen Künste lehrst. Bist du mir nicht wenigstens dies schuldig?«
    Tamurello erwiderte mit einem Seufzen: »Was wäre das für eine fremde und ungewohnte Welt, würde jeder nach seiner Gebühr behandelt!«
    Carfilhiot fand die Bemerkung mehr denn schnippisch. »So verhöhnst du mich auch denn noch«, sagte er betrübt. »Du findest, ich bin zu linkisch und töricht zum Erlernen dieser Kunst.«
    Tamurello, ein massiger, wuchtiger Mann, in dessen Adern das dunkle, schwere Blut eines Bullen floß, lachte nachsichtig. Er hatte diese Klage nicht zum erstenmal gehört, und nicht zum erstenmal hatte er diese Antwort gegeben. »Um ein Zauberer zu werden, mußt du viele schwere Proben auf dich nehmen und dich vielen gräßlichen Prüfungen unterziehen. Viele davon sind höchst unangenehm und vielleicht auch dazu ersonnen, Kleinmütige abzuschrecken.«
    »Diese Philosophie ist engstirnig und armselig.«
    »Wenn du erst ein Meistermagier bist – falls du je einer wirst –, dann wirst auch du so eifersüchtig wie alle anderen dieses Privileg hüten«, entgegnete Tamurello.
    »Gut, dann unterrichte mich! Ich bin begierig zu lernen! Ich bin willensstark!«
    Wieder lachte Tamurello. »Mein lieber Freund, du bist zu sprunghaft. Du magst vielleicht wie Eisen sein, aber Geduld ist nicht deine Stärke.«
    Carfilhiot machte eine ausschweifende Geste. »Gibt es denn keine Möglichkeit, die Ausbildung ein wenig abzukürzen? Bestimmt kann ich magische Apparate auch bedienen, ohne erst all diese vielen lästigenÜbungen zu absolvieren.«
    »Du hast doch schon Apparate.«
    »Das Zeug von Shimrod? Damit kann ich nichts anfangen.«
    Tamurello wurde der Diskussion überdrüssig. »Die meisten der Apparate sind für ganz spezifische Zwecke konzipiert.«
    »Meine Bedürfnisse sind spezifisch«, beharrte Carfilhiot. »Meine Feinde sind wie wilde Bienen, die man niemals unterwerfen kann. Sie wissen, wo ich bin. Wenn ich ihnen nachsetze, lösen sie sich in Schatten auf dem Moor auf.«
    »Hierin kann ich dich vielleicht unterstützen«, sagte Tamurello, »wenn auch, wie ich gestehe, ohne großen Enthusiasmus.«
    Am darauffolgenden Tag breitete er eine großeKarte der Älteren Inseln aus. »Hier siehst du das Evandertal, hier liegt Ys, hier Tintzin Fyral.« Er holte eine Anzahl aus Schlehdornwurzel geschnitzter Männlein hervor. »Gib diesen Figuren Namen, und setze sie auf die Karte, und sie werden sich an ihren Platz bewegen. Aufgepaßt!« Er nahm eines der Männchen und spie ihm ins Gesicht. »Ich nenne dich Casmir. Geh an Casmirs Platz!« Er setzte das Männchen auf die Landkarte. Es trippelte quer über die Karte genau auf die Stadt Lyonesse.
    Carfilhiot zählte die Männchen. »Nur zwanzig?«

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