Lyonesse 3 - Madouc
normalen Lautstärke. Wie gewohnt war der Gegenstand ihrer Diskussion die neue Kathedrale. Die zwei waren sich darin einig, daß alle Pertinenzien und Einrichtungsgegenstände des Bauwerks von edelster und feinster Qualität sein sollten; nur das allerbeste konnte für Sollace Sanctissima in Frage kommen.
»Der Brennpunkt von allem – man könnte sagen, das Zentrum der Inspiration – ist der Altar«, erklärte Vater Umphred. »Er ist der Ort, auf den alle Blicke gerichtet sind und der Quell, aus welchem das Heilige Wort erschallt! Wir müssen dafür Sorge tragen, daß er alle anderen Altäre der Christenheit in den Schatten stellt!«
»Derselben Meinung bin auch ich«, sagte Königin Sollace. »Wie sehr das Glück uns doch hold ist! Es ist eine Chance, die nur wenigen vergönnt ist!«
»Ganz recht, teure Frau!« Vater Umphred blickte verstohlen zu der massigen Gestalt am Fenster, aber König Casmir schien in seine eigenen Gedanken vertieft. »Ich habe gewisse Zeichnungen angefertigt; unglücklicherweise habe ich es versäumt, sie mitzubringen.«
Königin Sollace stieß einen leisen Schrei der Enttäuschung aus. »Dann beschreibt sie doch, wenn Ihr so lieb seid! Ich wäre sehr interessiert, Eure Pläne zu hören!«
Vater Umphred machte eine Verbeugung. »Mir schwebt ein Altar aus köstlichem, rarem Holz vor, getragen von kannelierten Säulen aus rosafarbenem kappadokischem Marmelstein. Zu beiden Seiten sollen siebenarmige Kandelaber stehen, stattlich und erhaben, verklärten lichtspendenden Engeln gleich! Solcher Art soll und wird ihre Wirkung sein! Später sollen sie aus purem Golde gehämmert sein; fürs erste begnügen wir uns mit solchen aus Blattgold auf Gips.«
»Wir werden tun, was getan werden muß!«
»Unterhalb des Altars, auf einem Tisch aus edlem Holz, verziert mit einem Fries, welcher die zwölf Erzengel darstellt, soll die Monstranz ihren Platz finden. Diese soll ein Gefäß aus Silber sein, besetzt mit Karfunkelsteinen, Lapislazuli und Jade; sie soll auf einem mit heiligen Zeichen bestickten Tuche ruhen, welches eine Nachahmung jenes heiligen Tuches, das als ›Tasthapes‹ bekannt ist, sein soll. Die Wand hinter dem Altar soll in zwölf Paneele aufgeteilt werden; jedes von diesen soll in leuchtenden Farben eine Szene aus dem Leben des Herrn darstellen, zur Freude des Betrachters und zum Ruhme des Glaubens.«
Königin Sollace sprach voller Inbrunst: »Ich kann es schon jetzt vor mir sehen, wie in einer Vision! Das Konzept rührt mich tief!«
Nach einem erneuten hastigen Blick zum Fenster sagte Vater Umphred: »Meine teure Frau, Ihr seid offenkundig empfänglich für spirituelle Einflüsse, und dies in einem Maße, das das übliche weit übersteigt! Aber laßt uns nun erwägen, wie wir unsere heiligen Reliquien am besten zur Geltung bringen können. Die Frage, die sich uns hier stellt, ist: sollen wir ein spezielles Reliquarium erstellen – zum Beispiel seitlich des Vestibulums? Oder sollen wir uns für eine mehr allgemeine Zurschaustellung in einem der Querschiffe entscheiden – oder in beiden, für den Fall, daß wir mehrere von diesen heiligen Gegenständen erwerben können?«
Königin Sollace sagte wehmütig: »Solange wir noch gar keinen dieser Gegenstände vorzuweisen haben, können wir keine ernsthaften Pläne machen.«
Vater Umphred machte eine tadelnde Geste. »Ihr müßt nur fest daran glauben, teure Frau! Habt Ihr nicht auch in der Vergangenheit stets Kraft und Stärkung im Glauben gefunden? Diese Gegenstände existieren, und wir werden sie beschaffen.«
»Aber könnt Ihr dessen gewiß sein?«
»Mit Zuversicht, Glauben und Beharrlichkeit werden wir sie finden, wo immer sie auch sein mögen! Manche sind bislang noch unentdeckt; andere wurden gehegt und sind verlorengegangen und bedürfen der Wiederentdeckung. Als Beispiel darf ich das Kreuz des Heiligen Elric anführen, der von dem Oger Magre Glied um Glied gekocht und vertilgt wurde. Um sich während dieser schweren Prüfung zu wappnen und zu stärken, fertigte der heilige Mann ein Kruzifix aus seinen von dem Oger bereits blankgenagten und fortgeworfenen Schienbeinknochen. Dieses Kruzifix war einst das Prunkstück des Klosters des Heiligen Bac in Dun Cruighre; wo ist es jetzt? Wer weiß?«
»Wie sollen wir es dann finden?«
»Durch sorgfältiges und beharrliches Suchen. Als ein weiteres Beispiel führe ich den Talisman der Heiligen Uldine an, die sich bemühte, den Troll Phogastus von Meira Tarn zum wahren Glauben zu
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