Lyonesse 3 - Madouc
wirst du jetzt auf Madoucs Fragen rasch und präzise antworten, ohne Ausflüchte oder Vieldeutigkeiten. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Twisk stieß einen Schrei schmerzlicher Erregung aus. »O weh! Wie sehr Ihr mir Unrecht tut, geht es mir doch einzig um die Wahrheit!«
»Fasse deine Erläuterungen bitte weniger abstrakt!«
Twisk blinzelte. »Entschuldigt, Eure Hoheit, ich habe Euren Befehl nicht ganz verstanden!«
»Drück dich klarer aus!«
»Sehr wohl, aber jetzt habe ich die Frage vergessen.«
König Throbius sprach mit mühsam beherrschter Stimme. »Erkennst du das Gesicht wieder?«
»Natürlich! Wie konnte ich es nur vergessen? Er war ein tapferer Ritter mit Feuer und von höchst phantastischer Denkungsart! Meine schwere Prüfung am Pfosten Idilra folgte unmittelbar auf diese Begegnung und tilgte sie aus meiner Erinnerung.«
»Sehr gut; soviel steht also fest. Nenne uns nun den Namen dieses tapferen Ritters.«
Twisk sagte mit reuevoller Stimme: »Das steht außerhalb meiner Macht.«
König Throbius musterte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. »Ist dein Gedächtnis so schwach?«
»Überhaupt nicht, Majestät! Er benützte wohl einen Namen, aber wir spielten das Spiel, das da heißt ›Liebe‹, und bei diesem Spiel nimmt man es mit der Wahrheit gemeinhin nicht so genau. So wollten wir es, und so spielten wir das Spiel. Ich gab mich als Lady Lis von den Weißen Opalen aus, und er nannte sich Sir Pellinore von den fernen Gestaden Aquitaniens, und wer weiß? Vielleicht war es so.«
»Höchst seltsam«, sagte König Throbius. »Außergewöhnlich – in jeder Hinsicht.«
Königin Bossum ergriff das Wort. »Ich frage Eure Majestät dies: offenbaren Herren ihren Liebesgespielinnen stets ihren vollen Namen und ihren Titel, ungeachtet, wie erhaben oder poetisch der Anlaß sein mag?«
»Ich akzeptiere diese Deutung«, sagte König Throbius. »Nennen wir diesen Rittersmann also fürs erste ›Sir Pellinore‹.«
Madouc frug neugierig: »Wie beschrieb sich Sir Pellinore sonst noch?«
»Seine Bemerkungen waren stets extravagant! Er bezeichnete sich als wandernden Troubadour, der sich den Idealen der Ritterlichkeit verschworen habe. Er fragte mich, ob ich von irgendwelchen schurkischen Rittern wüßte, die der Züchtigung bedürften, und erkundigte sich nach Jungfrauen, die es zu erretten gelte. Ich erwähnte den Oger Throop mit den drei Köpfen und schilderte die Missetaten, die Throop all den edlen Rittern angetan hatte, die gekommen waren, den Heiligen Gral zu suchen. Sir Pellinore war entsetzt, als er meine Schilderungen vernahm, und schwor Throop bittere Feindschaft, aber wer weiß? Sir Pellinore war mit der Laute gewiß geschickter als mit dem Schwert! Trotzdem kannte er keine Furcht! Schließlich schieden wir voneinander und gingen unserer Wege, und ich sah Sir Pellinore nie wieder.«
»Wohin ging er?« fragte Madouc. »Was wurde aus ihm?«
»Ich zaudere, darüber nachzudenken«, sagte Twisk. »Er mag nach Norden, nach Avallon, weitergezogen oder heim nach Aquitanien gereist sein, aber ich vermute, daß sein Haßgelöbnis ihn nach Burg Doldil führte, um dort Vergeltung an Throop zu üben. Wenn es so war, dann muß er gescheitert sein, da Throop bis zum heutigen Tage weiterlebt! Womöglich ward Sir Pellinore gesotten und verspeist, oder vielleicht schmachtet er auch in einem Bauer und muß Throop beim Abendessen mit Liedern und Lautenspiel erheitern.«
Madouc klappte vor Bestürzung der Mund auf. »Kann das möglich sein?«
»Ganz gewiß! Sir Pellinore spielte die Laute mit köstlicher Grazie, und seine Weisen waren so süß, daß sie selbst einen Bären zu Tränen gerührt hätten.«
Madouc mühte sich, ihre Erregung im Zaum zu halten. »Warum hast du nicht versucht, den armen Sir Pellinore, den du so geliebt hast, zu retten?«
Twisk plusterte ihr lavendelfarbenes Haar auf. »Meine Aufmerksamkeit war durch andere Ereignisse in Anspruch genommen, nicht zuletzt durch die Sache am Pfosten Idilra. Eine wie ich lebt von Augenblick zu Augenblick, jeden letzten Tropfen Sklemik 12 aus dem Abenteuer des Lebens wringend. So vergehen die Stunden und die Tage, und manchmal kann ich mich nicht erinnern, was was war oder was als nächstes kommt.«
Madouc sagte ohne Begeisterung: »Ungeachtet deiner Fehler oder Torheiten bist du meine Mutter, und ich muß dich so hinnehmen, wie du bist, mitsamt deinem lavendelfarbenen Haar und deinen Marotten.«
»Eine pflichtgetreue und gehorsame Tochter ist auch nicht
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