M A S H 02 - in der Heimat
nichts Abnormales. Speerschleuder entschloß sich für ein zerebrales Arteriogramm, das heißt, er spritzte ein Kontrastmittel in die Halsschlagader und röntgte den Weg des Kontrastmittels durch die Arterien ins Gehirn.
Jimmys Kopf saß unmittelbar auf den Schultern, da er einen auffallend kurzen Hals hatte. Speerschleuder verpatzte die Aufnahme. Es gelang ihm nicht, den Farbstoff an die richtige Stelle zu befördern. Dafür verursachte er aber eine leichte Blutung. Er verschrieb Jimmy ein Beruhigungsmittel und schickte ihn heim. In zwei Wochen, wenn die Schwellung abgeklungen war, wollte er die Aufnahme wiederholen.
Das trug sich zwischen Weihnachten und Neujahr zu. Hawkeye arbeitete in dieser Zeit nur das Allernötigste. Jimmy Richards besuchte er täglich. Viele Bewohner Port Waldos mißtrauten Hawkeye trotz seiner chirurgischen Erfolge. Schuld daran war seine Herkunft, nämlich der Große Benjy Pierce. Jetzt allerdings flößte ihnen seine Besorgnis um Jimmy Richards Hochachtung ein. Die Leute wußten nicht, daß bei diesen Besuchen hauptsächlich getrunken und um Football gewettet wurde, wobei Dr. Pierce innerhalb von zehn Tagen achtundsechzig Dollar von Jimmy kassierte. Durch das Dämpfungsmittel stellte sich nur ein einziger, leichter Anfall ein. Jimmy erholte sich merklich, dafür sah Hawkeye Pierce immer schlechter aus, weil er überzeugt war, daß Jimmy einen Gehirntumor habe. Das dachten auch alle anderen, wenngleich mit schwächerer Begründung. Jimmy war allgemein beliebt. Der Lions Club, der Rotary Club, die Freimaurer, alle stellten sich mit Geschenken, Blumen und guten Wünschen ein.
Nachmittags um halb eins am Tage des Nationalligaspiels kam Dr. Pierce wieder zu Jimmy. Im Wohnzimmer saßen fünfzehn Leute, und Geschenke von jedem Verein des Ortes türmten sich auf. »Jimmy, das finde ich aber wirklich kränkend. Die Vereinigung zur Förderung der Farbigen hat dir überhaupt nichts geschenkt«, meinte Hawkeye.
Der Methodistenpfarrer und zwei andere, die Dr. Pierce nicht leiden konnten, verabschiedeten sich schleunigst. Damit blieben aber immer noch zwölf Besucher zurück. Entsetzt zog Jimmy Hawkeye beiseite.
»Was soll ich bloß tun? Ich möchte ja nicht undankbar erscheinen, aber wenn die Kerle nicht gehen, kann ich mir das Match nicht ansehen.«
»Simuliere einen Anfall«, empfahl Hawkeye.
Frei aus dem Gedächtnis erlitt Jimmy Richards einen neuen Anfall. Hawkeye fand die Darbietung zwar elend, aber die meisten Gäste waren tief beeindruckt. Die wenigen, die sich davon nicht vertreiben ließen, rannten schleunigst fort, als Dr. Pierce ein Taschenmesser zog, es Jimmy an den Hals setzte und verkündete: »Am besten, ich mache gleich einen Luftröhrenschnitt.«
Am 2. Januar brachte Hawkeye Jimmy nach Spruce Harbor zurück. Die meisten Untersuchungen wurden wiederholt. Eine Woche später legte Dr. Jones mit Dr. Pierces Assistenz die Halsschlagader frei, injizierte das Kontrastmittel und machte die gewünschten Röntgenaufnahmen. Sie ließen ein Blutgerinnsel in einer kleinen Gehirnarterie vermuten, bestätigten jedoch nicht die Diagnose eines Gehirntumors. Am nächsten Tag erklärte Speerschleuder Jimmy und Hawkeye, daß er einen Gehirntumor weder mit Bestimmtheit feststellen, noch ihn ausschließen könne. War jedoch ein Tumor vorhanden, dann lag er so unglücklich, daß ein chirurgischer Eingriff eine Schwäche oder gar Lähmung der ganzen rechten Seite hervorrufen würde. Speerschleuder fand es daher am vernünftigsten, weiterhin Dämpfungsmittel zu verabreichen und die Entwicklung abzuwarten. Er schlug eine weitere zweiwöchige Ruhepause vor. Stellten sich in dieser Zeit keine Krämpfe ein, durfte der Patient langsam wieder seine Arbeit aufnehmen.
Wieder brachte Dr. Pierce den Patienten nach Port Waldo zurück, wo sie eine Flasche Whisky öffneten und tranken. Jimmys Frau Jenny kam ganz aufgeregt aus dem Laden. Zwei Leute hatten ihr versichert, wie untröstlich sie über Jimmys unheilbaren Gehirnturmor seien. Schlagfertig hatte sie ihnen geantwortet: »Die Ärzte sind sich dessen gar nicht so sicher. Aber wenn Sie es besser wissen, sollten Sie Dr. Jones im Allgemeinen Krankenhaus von Spruce Harbor unbedingt aufklären.«
Da ließ Hawkeye eine Rede vom Stapel: »Jimbo, ich finde, daß Speerschleuder dich sehr gewissenhaft beraten hat. Zugegeben, er konnte noch keine Diagnose stellen, aber er ist eben ein vorsichtiger Mann. Alle Symptome sind günstig, und er hat dir nichts
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