Macabros 003: Attacke der Untoten
sperrte sie in eine Anstalt. Sie entkam.
Mit siebzehn tauchte sie für immer unter.
Irgendwo in einer Berghöhle, Hunderte von Meilen von jeder
menschlichen Siedlung entfernt, suchte sie Unterschlupf. Hier
ernährte sie sich von Wurzeln und Kräutern, von Fischen und
wilden Kaninchen. Sie streunte durch das Land, bis sie an jene Stelle
kam, wo der Fürst der Dämonen ihr erschien.
Und diesen Augenblick, den Moment dieser Begegnung erlebte Howard
Rox mit.
Nebel und Dämpfe stiegen auf. Schatten formierten sich zu
schrecklichen Fratzen an den bizarren, zerklüfteten steilen
Wänden.
Merilla Rox stand mit lachendem Gesicht vor dem rotglühenden
Trichter.
Sie war jung, verführerisch, eine Augenweide für jeden
Mann.
Aber sie war eine Hexe, auserwählt, anderen Schaden
zuzufügen und Böses zu tun.
Mit Donnergetöse brach die Erde auf.
Am Fuße des gigantischen Trichters erhob sich etwas. Es war
ein Dämon. Der Titan schien ein Teil des Berges zu sein. Sein
Körper war den Steinen und Felsen gleich, seine gewaltigen Arme
waren kantig und grau wie der Schuppenpanzer einer urwelthaften
Echse. Sein riesiges, furchterregendes Gesicht schob sich aus dem
glosenden Schlund, kam wie eine Rakete in die Höhe, füllte
den gesamten Hintergrund des Berges aus.
»Ich bin Vaanthuu«, dröhnte die mächtige
Stimme der gespenstischen, furchteinflößenden Erscheinung
durch die Nacht. »Ich habe dich in deinen Träumen gerufen,
und du bist gekommen. Du bist eine gute und treue Dienerin, Merilla.
Das soll belohnt werden. Aus der Tiefe meines Reichs bringe ich dir
ein Geschenk mit.«
Seine gigantische Hand hielt den Stein wie einen Krümel, den
er fallen lassen wollte.
»Es ist der Stein der Wahrheit. Er soll dir alle Zeit den Weg
zeigen, den du gehen sollst. Er wird dir aufzeigen, wen du
fürchten mußt. Er gehört dir. Er wird –
über dein Leben hinaus – mit dir verbunden sein. Dein Geist
wird allezeit in diesem Stein gefangen sein. Du darfst ihn jedoch
niemals an einen Menschen weitergeben, Merilla. Diese Bedingung
mußt du erfüllen.«
»Diese Bedingung werde ich erfüllen.« Merilla Rox
streckt die zarten, feingliedrigen Arme aus. Das rötliche Glosen
schimmerte auf ihrer Haut, verlieh ihr ein rosiges Aussehen.
Vaanthuu, der Dämon aus der Tiefe, reichte ihr den Stein, den
sie mit beiden Händen entgegennahm.
Nebelschwaden verdichteten sich. Der Riese sank in sich zusammen,
wurde winzig klein, löste sich auf.
Für einen Augenblick verschwand der bizarre, gespenstische
Hintergrund, und Howard Rox empfand die Umgebung seiner
Behausung.
Doch der Eindruck währte nur den Bruchteil einer Sekunde.
Das Innere des Steins fing erneut zu leben an.
Aus dem roten Nebel schälte sich ein Gesicht.
Es war Merilla, die Hexe.
Ihr böser Geist, der überall im Haus zu lauern schien,
der jedem Gegenstand anhaftete, den sie einmal in der Hand gehabt
hatte, war hier auf ein Höchstmaß konzentriert.
»Gefahr«, murmelte die leise, kühlklingende Stimme.
»Hüte dich vor einem Mann namens Merthus – Professor
Bert Merthus.«
Die Warnung überraschte ihn.
»Merthus, Mutter? Ich habe den Namen nie gehört. Warum
muß ich mich vor ihm in acht nehmen?«
»Merthus wird mit einem Mann namens Björn Hellmark
zusammentreffen. Hellmark besitzt ein Buch, in dem die Geheimnisse
der Vergangenheit stehen. Merthus soll versuchen, den fremden Text zu
entziffern. Es wird Veränderungen geben, mein Sohn…
große Veränderungen… wenn nichts geschieht.«
»Wo kann ich Merthus finden, Mutter?«
»Ich sehe eine große Stadt… sie ist sehr, sehr
groß… viele hohe Häuser,
Wolkenkratzer…«
»New York«, entfuhr es Howard Rox.
Unbeirrt fuhr das Schemengesicht im Innern des roten Kraters fort.
»Ich sehe Berge… hügeliges Land…«
Howard Rox preßte die Lippen zusammen. So war es immer, wenn
Merilla sich aus dem Jenseits meldete. Es gelang ihr ausgezeichnet,
sich auf Menschen, Stimmungen und Gefühle einzustellen. Ihr
ungewöhnliches Wesen empfing diese Strömungen im Jenseits.
Bei toten Gegenständen allerdings waren ihre von Dämonen
verliehenen seherischen Gaben merklich eingeschränkt.
Sie versuchte dann aus dem Fluidum, das sie registrierte, aus
Geschehnissen, die irgendwann und irgendwo einmal typisch gewesen
waren und die ihre Spuren hinterlassen hatten, ein Bild des
betreffenden Gegenstandes oder der Stadt oder des Ortes, den sie zu
beschreiben gedachte, zu entwerfen.
»… nicht New York… weniger Menschen… nicht
weit
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