Macabros 003: Attacke der Untoten
nicht… verrückt… wie
ein Märchen… Merillas Kristall?«
»Sie war verschrien als Hexe. Anfangs, als sie um die
dreißig herum war, kamen sogar hin und wieder heimlich ein paar
Frauen aus den umliegenden Ortschaften und wollten von ihr die
Zukunft erfahren. Sie brachten Naturalien, Fleisch und Gemüse
und bezahlten damit meine Mutter. Und was Merilla aus ihrem Kristall
las, erfüllte sich. Eines Tages erwartete Merilla ein Kind. Da
wurde es selbst denen unheimlich, die sie bisher noch geduldet und
hin und wieder aufgesucht hatten. Dieses Kind konnte nur vom Satan
sein! Merilla lebte allein, es gab keinen Mann im Haus und die
Männer der umliegenden Ortschaften ließen sich mit ihr
nicht ein. Das Kind, das geboren wurde, war ich. Ich hatte nie einen
Vater, Henderson, auch das ist wahr. Auf welche Weise aber wurde
Merilla schwanger? Es ist das Geheimnis, das sie mit in ihr Grab
genommen hat, aus dem sie manchmal zu mir spricht.«
Henderson glaubte, nicht richtig zu hören.
»Aus dem Grab?« fragte er mit dumpfer Stimme. Der
Aufenthalt im Hexenhaus wurde immer mehr zum Alptraum. Erst die
Felsenhalle der Vampire, Jenny… mein Gott, Jenny! Ihr
mußte doch geholfen werden! »Geben Sie sie frei, Rox, ich
bitte Sie darum!«
»Was hätten Sie davon, Henderson? Sie ist nicht mehr ein
Kind. Sie ist eine Sklavin, die wie alle anderen auch meinem Willen
untersteht. Auch Sie sind infiziert, Henderson. Als Jenifer in der
Nacht durch das Haus streifte, hat sie auch bei Ihnen Blut
gesaugt.«
Henderson erschauerte.
»Hier, sehen Sie selbst!« Mit diesen Worten reichte er
dem Alten einen Spiegel, den er von der Wand nahm.
Noch ehe Francis Henderson den Spiegel in die Höhe hob, sagte
er: »Sie treiben ein böses Spiel mit mir, Rox. Ich habe Sie
im Verdacht, daß ich eine Halluzination nach der anderen
erlebe, daß Sie mir Ihr Haus so unheimlich wie möglich
machen, damit ich nie wieder hierherkomme.« Er betrachtete sich
im Spiegel.
»Deshalb fühlen Sie sich schlapp, Henderson. Jenifer
– und Mary Simpson – haben von Ihrem Blut
getrunken.«
Und wahrhaftig. Am Hals fand der Alte die Bißwunde. Das
Zeichen des Vampirs.
Henderson erinnerte sich, daß er letzte Nacht die gleiche
Wunde am Hals von Jenifer bemerkt hatte, daß sie es jedoch als
eine Verletzung durch den Sturz angesehen hatte. Dies war eine
Lüge gewesen. Jenifer hatte genau gewußt, woher die
Verletzung stammte.
»Aber warum liege ich nicht da unten, wo die anderen
liegen?« kam es tonlos über seine Lippen, doch ein gewisser
Triumph klang in seiner Stimme mit, weil er einen offensichtlichen
Widerspruch erkannte hatte.
Rox lächelte. In seinen dunklen, unergründlichen Augen
blitzte es dämonisch auf. »Es sind nur Frauen, Henderson.
Ist Ihnen das nicht aufgefallen? Sie werden Vampire, Töterinnen,
Untote, wie immer man es auch bezeichnen mag. Sie gehen auf Jagd,
immer wenn die neue Nacht anbricht. Frauen, die das Mal des Vampirs
tragen, werden zu Soldaten meiner kleinen Armee. Männer aber
werden sterben, sobald der neue Tag anbricht. Das Sonnenlicht
löscht sie aus.«
Francis Henderson wollte noch etwas sagen. Da erkannte er die
Tragweite dessen, was Rox da sagte.
Der unheimliche Magier, der schlimmer war, als man sich
erzählte, hatte sich während des Sprechens immer mehr zur
Tür vorgeschoben.
Er stand jetzt direkt daneben.
»Sie können gehen, Henderson«, sagte er eiskalt und
riß die Tür auf.
»Nein!« Henderson schrie gellend auf, als er die
ungeheuerliche Situation in vollem Umfang begriff.
Tageslicht fiel in das Innere der dumpfen Hütte.
Die Sonne brach durch das zerrissene Gewölk, schmale, bleiche
Bahnen standen schräg zum Himmel, wirkten wie Rutschen, auf
denen Kobolde zur Erde fuhren.
Henderson nahm seine ganze Kraft zusammen und wollte sich zur
Seite werfen, suchte den Schatten, um sich zu schützen.
Wie ein Dampfhammer stieß Howard Rox’s Rechte nach vorn
und warf ihn auf die Tür zu.
»Ich habe doch gesagt, Henderson, daß Sie lebend die
Schwelle meines Hauses verlassen. Und ich pflege meine Versprechen
einzuhalten.«
Mit einem Fuß stolperte Francis Henderson über die
Schwelle.
Ein Sonnenstrahl traf ihn.
Er erlitt das Schicksal der Untoten.
Ein Gurgeln entrang sich seinen Lippen. Er knisterte und
ächzte in seinem Körper, als würde etwas in ihm
zerbrechen.
Seine Haut wurde plötzlich hart wie ein Panzer, Risse und
Sprünge liefen darüber hinweg.
In drei Sekunden ereignete sich das, was normalerweise nach
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