Macabros 005: Die Schreckensgöttin
darauf.
Eine altmodische Klingel war an der Tür unter dem
Messingschild befestigt. Es war keine elektrische Klingel.
Er drehte den Griff zweimal ruckartig um, und die Klingel gab ein
Geräusch von sich wie eine Fahrradklingel.
Er brauchte nicht lange zu warten.
Drinnen erschollen Schritte, die sich der Tür
näherten.
Hellmark mußte daran denken, daß Betty Roughly eine
ausgesprochen hübsche Person nach Laughtons Beschreibung gewesen
war. Warum hatte sie nie geheiratet? Wieso versauerte ein so
hübsches Mädchen in dieser abgelegenen Gegend, in einem
derart alten und häßlichen Haus?
Aber er mußte sich von dem Gedanken frei machen, einem
jungen Mädchen zu begegnen. Laughton hatte nicht von der
Gegenwart gesprochen, sondern von einer Begegnung, die vor
dreißig Jahren stattgefunden hatte. Daran mußte er immer
denken.
Die Tür wurde geöffnet.
Eine Frau mittleren Alters stand vor ihm. Sie trug eine
graugemusterte Kittelschürze über Rock und Bluse.
Die Wohnungsinhaberin machte einen gepflegten Eindruck. Ihre Figur
war jugendlich. Das Haar war kurzgeschnitten und betonte ein
gutgeschnittenes, sympathisches Gesicht.
»Ja, bitte?« fragte die Frau. Sie musterte den
Fremden.
»Sie sind Mrs. Roughly?«
Sie lächelte. »Ja, die bin ich. Was kann ich für
Sie tun?«
Es war schwer, einen richtigen Anfang zu finden. Hellmark
ließ sich von der momentanen Stimmung leiten. Ungezwungen
sprach er von Edgar Laughton und davon, daß sie, Mrs. Roughly,
unter Umständen etwas zur Klärung des Schicksals von
Laughton beitragen könnte. Er sei Mitarbeiter eines Londoner
Psychologen, und es ginge darum, bei Laughton einen
Heilungsprozeß einzuleiten.
Mrs. Roughly verstand offenbar gar nichts.
Mißtrauisch musterte sie den Besucher, aber aus ihrem
anfänglichen Mißtrauen wurde Interesse. Hellmark
beobachtete die Reaktionen von Mrs. Roughly genau. Er mußte von
dem Gedanken ausgehen, daß hier in dieser Wohnung etwas
vorgefallen war, was seinerzeit Laughtons Leben zerstörte.
Betty Roughly konnte sich an keinen Edgar Laughton erinnern. Aber
sie bat Hellmark, hereinzukommen. Vielleicht könne man in einem
ausführlichen Gespräch die Sache klären.
Wieso er ausgerechnet auf sie, Betty Roughly gekommen sei?
Er erklärte es ihr, ohne die ganze Wahrheit zu sagen.
Betty Roughly legte in der Diele ihre Kittelschürze ab und
strich ihren Rock glatt.
»Bitte, kommen Sie!« Die Engländerin führte
ihn in das düstere Wohnzimmer. Das nächste Haus stand nur
ein paar Meter weiter entfernt und zwischen den beiden Gebäuden
gab es einen lichtlosen Hinterhof, in den sommers wie winters kein
Sonnenstrahl fiel.
Hellmark setzte sich in den angebotenen Sessel.
Die Umgebung strahlte einen bescheidenen Wohlstand aus. Die
Möbel waren alt, aber sie waren nicht billig gewesen. Auf dem
runden Tisch in der Mitte des Zimmers waren abgegriffene
selbstgefertigte Spielkarten ausgelegt.
»Edgar Laughton muß irgendwann einmal bei Ihnen gewesen
sein, muß versucht haben, Ihnen ein Bild zu verkaufen. Das
liegt bestimmt dreißig Jahre zurück.«
Betty Roughly schob die ausgelegten Karten zusammen, ohne auf
Björns Ausführungen einzugehen. »Ich habe Mrs. Brown
erwartet. Ich lege den Leuten manchmal die Karten.«
»Ah. Sie verstehen etwas davon?«
»Wie man’s nimmt. Meine Voraussagen treffen vielleicht
zufällig aber ziemlich oft ein.«
Betty Roughly legte die Karten in eine handgeschnitzte
Holzschachtel auf der Vitrine neben der nur angelehnten Tür zum
Schlafzimmer. Die Wohnung wies genau den Grundriß auf, den
Laughton in der Hypnose geschildert hatte.
Sogar das Haus gegenüber hatte Laughton angegeben. Er war
schon einmal hier gewesen in seinem Leben, daran gab es für
Björn nicht den geringsten Zweifel. Zuviel Details fand er
bestätigt, als daß der alternde Maler sich dies einfach
aus den Fingern hätte saugen können.
»Edgar Laughton, sagten Sie?« Betty Roughly ging erst
jetzt darauf ein. »Und er wollte mir ein Bild
verkaufen?«
Während sie das sagte, stellte sie eine Flasche Sherry und
zwei Gläser auf den runden Eßtisch. Hellmark ließ
den Blick in die Runde schweifen. Es gab einige Bilder an den
Wänden. Aber meistens Drucke und Fotografien. Tatsächlich
befand sich nicht eine einzige Arbeit von Laughton darunter.
Aber da fiel ihm siedendheiß ein: Laughton hatte vom
Schlafzimmer gesprochen. Dort hinein waren sie gegangen, um zu sehen,
wie sich die Bilder an dem dafür vorgesehenen Platz machten.
Bestimmt würde
Weitere Kostenlose Bücher