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Macabros 022: Phantom aus dem Unsichtbaren

Macabros 022: Phantom aus dem Unsichtbaren

Titel: Macabros 022: Phantom aus dem Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Shocker
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diesem Haus war deutlich der riesige, bronzefarbene
Oberkörper eines götzenähnlichen Molochs zu erkennen.
Die titanenhaften Hände schwebten über den Dächern,
griffen nach dem einen, dem vorderen, und hoben es aus dem Verband
der Häuserfront heraus.
    Das unheimliche Geschöpf ragte aus dem Unsichtbaren in die
sichtbare Welt, und Sallas hatte diesen Übergang hervorragend
dargestellt. Ein Teil des Hauses wurde zu einem Schemen wie das
unsichtbare Phantom aus dem Jenseits. Ein Haus verschwand im
Unsichtbaren, und zurück blieb eine Lücke.
    »Es ist mein Bild, das ich ’13. Dezember 1726’
nannte«, murmelte Sallas.
    »Ein merkwürdiger Titel für ein solches Bild«,
sagte Renion.
    »Alle meine Bilder haben seltsame Titel.«
    »Aber nicht so spezielle, Señor Sallas. Warum gerade,
’13. Dezember 1726’? Ich habe es nie begriffen.«
    »Ich begreife es selbst nicht, Señor Renion. Die Titel
sind wie die Bilder selbst Eingebungen, die ich nicht beeinflussen
kann.«
    Manuel Sallas betrachtete sich die einzelnen
Ausschnittvergrößerungen. Renion hatte sich jedes einzelne
Gebäude vorgenommen.
    Ein Foto zeigte nur den oberen Querbalken über einer
Haustür. Mit ungelenker Schrift war dort schwach etwas
eingeritzt. »A. D. 1703«.
    Manuel Sallas’ Augen wurden schmal.
    Sein Blick begegnete dem des Franzosen.
    »Wieso siebzehnhundertdrei?« fragte er verwundert.
    »Diese Jahreszahl steht auf dem Balken.«
    »Es ist das Jahr, in dem das Haus erbaut wurde.«
    »Ja.«
    »Und sie haben diese Zahl auf – meinem Bild
gefunden?«
    »Ja.«
    Manuel Sallas kratzte sich im Nacken. »Ich kann mich nicht
daran erinnern, jemals eine solche Zahl geschrieben zu haben, aber
das bedeutet natürlich nicht, daß ich sie nicht wirklich
geschrieben habe. Im Traum passiert manches. Aber seltsam, daß
mich – außer Ihnen – noch niemand darauf aufmerksam
gemacht hat.«
    »Mit bloßem Auge kann man es nicht sehen. Bei den
Versuchen, immer stärkere Vergrößerungen
herauszuholen, habe ich es gefunden. Diese Entdeckung war insofern
wichtig, daß sie mich auf eine Spur brachte, die
weiterführte. Durch einen Zufall. Das habe ich Ihnen schon
geschrieben.«
    »Ja, Sie erwähnten einen kleinen Ort im Elsaß, in
dem Sie das Straßenbild wiederzuerkennen glaubten, das ich
gemalt habe.«
    »Der Ort heißt Runscheer. Sie bleiben dabei, nie etwas
von ihm gehört zu haben, geschweige ihn denn je in Ihrem Leben
besucht zu haben?« Renion hatte endlich seine alte Fassung und
Form wiedergewonnen, und er war froh, daß er so schnell zum
Wesentlichen kam.
    »Ich habe nie diesen Namen gehört, und ich habe einen
solcher Ort nie betreten.«
    Schon in dem gemeinsamen Briefwechsel war manches in dieser Form
vorgenommen worden. Aber die persönliche Begegnung und das
Gespräch über die ihn berührenden Dinge waren doch
etwas ganz anderes.
    Renion holte ein anderes, großformatiges Foto heraus.
»Ich hatte versprochen, es Ihnen vorzulegen«, sagte er, das
Bild an Manuel Sallas weiterreichend. »Hier ist es.«
    Mehr äußerte er nicht dazu. Er ließ seinen
Gastgeber nicht aus den Augen und beobachtete auch dessen Schwester,
die nun auf ihn zukam, nach der Kerze griff, und sie höher
hielt, um alles ganz deutlich zu sehen.
    Wie würden sie reagieren?
    Beide blieben sehr ernst und nachdenklich.
    Manuel Sallas verglich interessiert und aufmerksam die Fotografie
von seinem Bild und diejenige, die Renion in dem kleinen Dorf
Runscheer gemacht hatte.
    Deutlich war zu erkennen, daß es sich beide Male um
denselben Blickpunkt handelte, um die gleiche Gasse, auch wenn sie
sich im Lauf einer langen Zeit verändert hatte.
    Die Häuser, die Sallas in einem tranceähnlichen Zustand
mitten im Winter und in einer zurückliegenden Zeit malte.
Standen nur noch zum Teil. Die Laternen waren die gleichen, wenn auch
älter, und die Aufnahme aus Runscheer war eben im letzten Sommer
erfolgt und die Dächer der alten Bauernhäuser waren somit
nicht schneebedeckt wie die Manuel Sallas’.
    Renion sagte: »Zwischen Ihrer Darstellung und meiner
Fotografie liegen rund zweihundertfünfzig Jahre. Sie stellen
einen dörflichen Winkel dar, wie er im Jahr 1726 in Runscheer
gewesen ist. Das Haus, das Sie durch ein unfaßbares Phantom aus
dem Dorf lösen lassen, fehlt tatsächlich. Die Lücke
ist heute jedoch nicht mehr zu sehen. Sie wird geschlossen durch eine
Tankstelle, die dort steht. Aber es ist verbrieft, daß dort mal
ein Haus gestanden hat, von dem niemand weiß, was aus

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