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Macabros 022: Phantom aus dem Unsichtbaren

Macabros 022: Phantom aus dem Unsichtbaren

Titel: Macabros 022: Phantom aus dem Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Shocker
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seiner Schwester und fuhr sich mit
einer nervösen Bewegung über die Stirn.
    »Ich war weit weg«, murmelte er und wandte den Kopf, um
einen ersten Blick auf die Leinwand zu werfen.
    Mit zusammengekniffenen Augen studierte er die Farben und
Formen.
    »Etwas stimmt da nicht – etwas ist anders als sonst. Was
habe ich gesagt, wie habe ich mich verhalten?«
    Janina Sallas erklärte ihm alles. Nichts war ihr entfallen.
Jedes Detail berichtete sie.
    »Tempel Orlok – Carmen – Orlok, das ist der Name
des Unheimlichen, dem ich schon mal begegnet bin – vor drei
Jahren, als ich mein erstes Bild in Trance malte. Die
Winterlandschaft – was danach kam, waren Landschaften, gesehen
durch ein Fenster in eine andere Welt – keine Spur mehr von dem
Unheimlichen, und nun, ganz plötzlich – tauchte er wieder
auf. Es ist, als ob sich der Kreis schließe. Licht, Janina,
mehr Licht!«
    Das Mädchen eilte zum Schalter und drehte ihn herum. Die
Lampe flammte auf und vertrieb das Halbdunkel, das bisher geherrscht
hatte.
    »Ich fange an, klarer zu sehen«, fuhr er wie im
Selbstgespräch fort. »Auch Ihr Besuch. Señor Renion,
paßt in dieses Bild. Ihre Anwesenheit, das Gespräch mit
Ihnen – es war sicher Ausgangspunkt für das, was jetzt
geschehen ist.«
    Er fuhr sich über die Augen, durch das wuschlige Haar und
schüttelte den Kopf. »Ich bringe es nicht mehr zusammen,
aber zum ersten Mal ist es so, daß ein Bild nicht mehr für
sich selbst spricht. Ich erinnere mich, wo ich gewesen bin. Eine
endlose Halle! Heiß und schwül… Die Wände voller
Reliefs, Darstellungen von Menschen, Verstorbenen, die mal in diesem
Tempel waren. Aber ich begegnete einer Lebenden und fühlte ihre
Angst, ihr Entsetzen. Wir schreiben heute den 15. Oktober. Dieses
Datum habe ich als Titel für dieses Bild gewählt. Ich habe
ein Erlebnis aufgezeichnet. Jemand ist jetzt, in diesem Moment, in
großer Not und Gefahr. Ich habe ihr Gesicht gesehen, ihre Augen
– sie braucht Hilfe. Sie ist nicht die einzige, die sie
gebraucht hätte. Andere, die vor ihr kamen, hätten sie
schon gebraucht – aber da sah ich noch nicht klar, da sahen wir
– noch nicht klar.«
    Sein Blick suchte den Jean Baptiste Renions. Sallas sagte
merkwürdige Dinge, und sie schienen ohne jeden Zusammenhang zu
sein.
    »Was für ein Gefühl haben Sie, Señor
Renion?«
    »Ein Gefühl von Unruhe – es ist, als ob sich etwas
in meine Erinnerung zu schleichen versuchte, was mir bewußt
werden soll.«
    »So ergeht es mir. Janina – wie ist es mit dir?«
wandte Manuel Sallas sich an seine Schwester.
    »Ich fühle mich wie immer.«
    »Ich habe das Gefühl, ich hätte doch mehr mit Ihnen
zu besprechen, Señor Renion, als bis jetzt geschehen ist. Aber
es ist noch nicht soweit. Wir müssen noch abwarten – ja, so
ist es wohl.«
    Er sagte es wie ein Träumer, und ein Außenstehender
hätte diesen Mann jetzt für verrückt gehalten.
    Sallas richtete seinen Blick auf das winzige quadratische Fenster.
Ein Stück des dunklen Nachthimmels war zu sehen. Ein Stern
blinkte.
    »Einflüsse aus einer anderen Welt, Señor Renion
– seit einiger Zeit ahne ich es, jetzt weiß ich es. Von
einem anderen Stern? Nein, so weit ist es nicht weg. Orlok ist ganz
in der Nähe – nur einen Schritt von uns entfernt. Er
beobachtet diese, unsere Welt. Die Menschen müssen ihn
fürchten, denn er raubt sie, damit seine Untoten leben
können. Erinnerungen oder Vorausschau? Ich weiß es nicht,
noch nicht… aber ich werde es bald wissen. Señor Renion
– Sie haben sich unten im Ort einquartiert, nicht
wahr?«
    »Ja.«
    »Das ist gut. Ich möchte Sie bitten, sich noch ein paar
Tage dort aufzuhalten. Ich kriege das Gefühl nicht los,
daß wir beide einen gemeinsamen Auftrag haben, über den
wir uns nur noch nicht klar sind.«
     
    *
     
    Sie sah die düstere Tempelhalle und suchte vergebens nach
einem Ausweg. Es gab keine Tür, kein Fenster.
    Stumpfrot glühten die erhaben aus den Wänden
herausgearbeiteten Gestalten.
    Carmen de Silva starrte in die fremden, erschreckten Gesichter von
Menschen, die gleich ihr, einmal hier gewesen waren.
    »Das ist der Tempel der Toten«, sagte die dröhnende
Stimme des Phantoms, und wie Donner verebbten die Worte.
    Carmen de Silva wußte um die Nähe des Unheimlichen.
Hier in diesem gigantischen Tempel lebte der Titan aus ihren
Alpträumen. Wie ein Fleischberg hob sich der Koloß in der
Dunkelheit vor ihr ab, ein lebender Altar inmitten dieser schaurigen,
unfaßbaren Atmosphäre. Wie ein

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