Macabros 022: Phantom aus dem Unsichtbaren
Licht lag über dem hügeligen Land.
Hart und schwarz waren die Schatten der knorrigen Bäume und
Büsche.
Die junge Spanierin hielt an einer Wegkreuzung. Um nach Hause zu
kommen, hätte sie jetzt links abbiegen müssen. Hier
führte der Hauptweg weiter. Rechts lief ein schmaler Feldweg in
die Wiesen und Äcker.
Die junge Frau stutzte plötzlich.
Im hellen Mondlicht sah sie deutlich Spuren von Autoreifen, sie
bremste unwillkürlich heftiger, als sie wollte.
Jemand war mit dem Auto hier gewesen? Die Spuren waren noch
frisch. Unwillkürlich mußte sie an Renions Fahrzeug
denken, mit dem ihr Bruder gefahren war.
Ob sie vielleicht hier…? Der Gedanke kam ihr ebenso
plötzlich wie ihr im Lauf des Tages auch viele andere gekommen
waren, die sie wieder verworfen hatte.
Sie steuerte auf den Feldweg und konnte die Spur deutlich
verfolgen. Sie fuhr weit in das menschenleere Ackergelände,
blickte nach links nach rechts – und zuckte plötzlich
zusammen.
Janina Sallas bremste heftig und mußte zweimal hinsehen. Die
Reifenabdrücke führten direkt auf das Buschwerk zu. Der
Wegrand war herabgedrückt, Grasbüschel und… Sie
schluckte und sah genauer hin.
Dunkle Umrisse, groß und hügelig, wie ein Berg hinter
dem Buschwerk. Aber das war kein Berg – das war ein
Fahrzeug.
Janina Sallas sprang aus dem 2 CV und lief über den holprigen
Weg.
Ein mausgrauer Peugeot mit Pariser Nummer. Jean Baptiste Renions
Fahrzeug!
Die Entdeckung war für sie so gewaltig, daß ihr Herz
heftig zu klopfen anfing und der Schweiß vor Aufregung aus
allen Poren drang.
Janina blickte sich um.
Diese mondhelle Nacht riß Dinge aus der Dunkelheit, die sie
normalerweise nicht wahrgenommen hätte.
Mitten auf dem Feld sah sie zwei Männer. Sie drehten sich im
Kreis, rhythmisch, wie nach einer geheimnisvollen Musik.
»Manuel?« entfuhr es ihr. »Señor
Renion?«
Sie lief querfeldein, auf die beiden Gestalten zu, die die Arme
reckten, als würden sie den Mond anbeten.
Je näher sie kam, desto sicherer wurde sie sich ihres
Verdachts.
»Manuel! Señor Renion!« rief Janina gellend, und
ihr Rufen hallte durch die Nacht.
Die beiden Gestalten standen blitzartig still und wandten die
Köpfe.
Da sah Janina Sallas den dicken Kreis, die Anordnung der
Stöcke und Steine und die bleichen, erschreckten Gesichter und
die furchtbare Verwandlung, die in dieser Sekunde mit den beiden
Gesuchten vor sich ging.
*
Sie änderten ihre menschliche Gestalt!
Es schien, als ob das bleiche Mondlicht ihre Körper
aufblähte, so daß sie größer wurden.
Manuel Sallas wurde zu einem unansehnlichen Ballon, sein
Körper wuchs ins Riesenhafte, sein Kopf war kugelrund und kahl,
die Augen wurden unwirklich groß und traten aus den wulstigen
Höhlen.
»O mein Gott! Manuel!« Janina Sallas wankte und taumelte
nach vorn, wie von einer unsichtbaren Hand geschoben.
»Nein, nein, Janina! Bleib zurück, Überschreite
nicht den Kreis! Das darfst du nicht!« gellte Manuel
Sallas’ Stimme, unverändert, titanenhaft, wie Donnerhall
alles übertönend, daß die Luft erzitterte. »Ich
bin nicht dein Bruder… hörst du…«
Wie ein schreckliches Echo verhallten seine letzten Worte.
Dieser bronzefarbene, von einem flirrenden, bleichen Strahlenkranz
umgebene Gigant hatte nicht mehr die entfernteste Ähnlichkeit
mit ihrem Bruder! Er und dieser Señor Renion aus Paris aber
sahen sich nun erschreckend ähnlich. Wie Brüder.
Ein leises Zischen begleitete den Feuerzauber, dann wurden die
beiden riesigen gegen den Nachthimmel leuchtenden Körper
durchscheinend.
Die Gestalt, die einmal Manuel gewesen war, hatte den Blick auf
die klein wirkende Menschenfrau gerichtet, hob sanft die Hand, als
wolle er ihr ein letztes Lebewohl zuwinken – und löste sich
dann auf wie ein Schemen. Der Spuk verschwand. Das verstärkt im
Kreis einwirkende Mondlicht fiel in sich zusammen.
Janina Sallas lief nach vorn, überschritt den eingezeichneten
Kreis und wurde im gleichen Augenblick wie von einem Sog in das
Zentrum des zusammenbrechenden Mondlichts gerissen.
Sie hatte das Gefühl, sich rasend schnell um sich selbst zu
drehen. Janina Sallas schrie.
»Manuel!«
Aus endloser Ferne glaubte sie kurz hintereinander noch zwei
Stimmen wahrzunehmen, ehe eine erlösende Ohnmacht sie umfangen
hielt.
»Ich bin Malak!« Erinnerte sie bei diesen drei Worten
nicht etwas entfernt an Manuels Stimme?
»Ich bin Varlok.« Eine andere Stimme, schon viel weiter
entfernt, erinnerte an Jean Baptiste
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