Macabros 022: Phantom aus dem Unsichtbaren
Renion.
Dann wußte sie nichts mehr von sich.
In verkrümmter Haltung blieb sie zwischen den nach
mysteriösem Sinn zusammengestellten Steinen und Stöcken
liegen.
*
Eine Sekunde lang war er wie benommen.
Sie wollte ihm das Leben aussaugen und seine Seele behalten, wie
das mit zahllosen anderen vor ihm schon geschehen war.
Björn Hellmark gab sich einen Ruck. Er wußte selbst
nicht, woher er – halb betäubt von Orloks mächtigem
Willen – noch die Kraft nahm, so zu reagieren.
Er riß den Arm herum. Hart krachte sein Ellbogen mitten in
das Gesicht der Vampirkönigin. Deren Kopf flog mit einem wilden
Fauchen, wie es aus dem Rachen einer Raubkatze drang,
zurück.
Björn rollte sich herum.
Er lag mitten auf einem weißen Quadrat und fühlte die
marmorne Kälte durch seine Kleidung.
Der verkleinerte Orlok war verschwunden. Mit irrlichternden Augen
registrierte er, daß die Gestalten, die er so tapfer verteidigt
hatte, ins Schwimmen gerieten.
Pepe! Carminia! Sie wurden zu nebelhaften Fetzen und
zerflossen.
Nur rechts, auf einem Quadrat am äußersten
Spielfeldrand, stand zitternd und am Ende ihrer Kraft Carmen de
Silva! Sie löste sich nicht auf…
Die Dinge überstürzten sich, so daß er in diesen
Sekunden nicht dazu kam, über Einzelheiten und
Merkwürdigkeiten nachzudenken.
In die Reihe der Spielfiguren Orloks kam plötzlich Bewegung.
Eine Windbö fegte über den riesigen Marmortisch mit den
Spielfeldern. Die Untoten und die dämonischen Wesen,
einschließlich der Königin mit dem blutroten
Vampirgebiß, flogen durcheinander und wirbelten wie welke
Blätter durch die Luft.
Ein Entsetzensschrei hallte durch den weiträumigen Tempel.
Die schemenhaft wahrnehmbaren Gestalten der Untoten wichen wimmernd
zurück, als ob eine unsichtbare Mauer sich plötzlich
zwischen ihm, dem Sterblichen, und den anderen aufrichte.
Leer war das Spielfeld – bis auf die zitternde, bleiche
Carmen de Silva.
Neben dem brüllenden Riesen wuchsen aus dem Nichts zwei
Wesen, die ihm erschreckend ähnlich sahen.
Die großen Hände griffen nach dem fetten, kugeligen
Orlok, ehe er sich erheben konnte.
Hände zweier Phantome, die ihn auf die Stelle bannten,
griffen links und rechts nach seiner Schulter und schienen ihn
niederzudrücken.
»Malak!« röchelte Orlok. »Varlok!« Seine
Augen verdrehten sich. Ein Zittern lief durch seinen titanenhaften
Körper, und deutlich war zu sehen, wie die Farbe seiner prallen
Haut sich veränderte.
Stahlblau wurde sie, als ob ein Schatten von seinem Körper
Besitz ergriffe.
Orlok, das furchtbare Phantom, war wie gelähmt.
»Malak und Varlok!« kam es wie ein Hauch über seine
zitternden Lippen, und eisige Luft strömte plötzlich durch
den Tempel, in dem es die ganze Zeit tropisch heiß gewesen war.
»Ihr seid zurückgekommen?« Auch ein Phantom, ein
Meister der Magie, konnte Furcht empfinden. Man hörte es der
Stimme an.
»Ja, wir sind zurückgekommen.« Der Linke der beiden
neuen Götzengestalten sagte das, den Orlok mit Malak
angesprochen hatte. »Es hat lange gedauert, aber nun ist der
Zeitpunkt richtig und günstig gewählt. Zwei konnten damals
entkommen, du konntest sie nicht vernichten. Zwei haben Rache
geschworen! Malak und Varlok!«
Björn kam aus der Hocke in die Höhe, taumelte über
die marmornen Spielfelder und lief auf Carmen de Silva zu.
Er registrierte, daß hier etwas eingebrochen war, das auch
Orlok nicht erwartet hatte, das er fürchtete.
Er erinnerte sich an die Geschichte, die Al Nafuur ihm berichtet
hatte. Orlok hatte seine Gefährten in eine Falle gelockt. Zwei
waren entkommen. Und nun erfuhr der Mensch die Fortsetzung und die
ungeheuerliche Darstellung aus dem Munde Malaks und Varloks.
Nach ihrer gelungenen Flucht aus der vergessenen Stadt, die Orlok
zur Stadt der Toten machte, kam es ihnen darauf an, ihre Spuren zu
verwischen. Mit ihren ungeheuerlichen magischen Fähigkeiten
brachten sie es fertig, unterzutauchen in Raum und Zeit.
»… aber um dich zu vernichten, um dir ein für
allemal das Handwerk zu legen, mußten wir zurückkehren, zu
einem Zeitpunkt, als du am wenigsten damit rechnetest. Wir gaben
unsere Körper auf und überließen unsere Seelen dem
Strom der endlosen Zeit und dem Geist des Universums. Wir wollten
wiedergeboren werden. Unsere Seelen begannen neu zu leben in den
Körpern zweier Menschen. Die Stunde der Zeugung war die Stunde
der Wiedergeburt unserer Seelen in einer anderen Rasse. Wir hatten
vergessen, wer wir waren, aber wir
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