Macabros 023: Gefangen im Totenmaar
konnte. Im Zimmer seines Hotels angekommen, nahm
er den langen, schmalen Lederbehälter an sich, der entfernt an
einen Geigenkasten erinnerte. Darin lag das Schwert des Toten
Gottes.
Das wollte er bei sich haben, denn er war überzeugt davon,
daß die Gegner nicht aus Fleisch und Blut bestanden, daß
sie keine Menschen waren. Im See lauerte etwas
Außergewöhnliches, Unsichtbares.
»Spar deine Kräfte für das auf, was uns erwartet!
Ich habe dich nicht mitgenommen, damit du die Frauenwelt verwirrst.
Wir fahren hinaus auf den Wörther See und suchen noch mal jene
Stelle ab, wo ich gestern vergebens nachsah. Wenn dein Charme und
deine erotische Ausstrahlung auch auf Hexen oder weibliche
Wassergeister wirken, dann könnte ich das nur
begrüßen.«
»Ich werde mir auf alle Fälle jede erdenkliche Mühe
geben, darauf kannst du dich verlassen. Wenn es sein muß,
küsse ich sogar eine mit Vampirgebiß ausgestattete
Schreckensgöttin, um sie von dir fernzuhalten.«
Wenn sie unter sich waren, scherzten sie oft miteinander, diese
Heiterkeit war wie ein Ventil. Wenn man über die Dinge
nachdachte, mit denen sie ständig konfrontiert wurden, konnte
einem das Lachen vergehen.
*
Sie mieteten sich ein Motorboot und eine
Taucherausrüstung.
Es war zehn Uhr morgens. Die Sonne stand am Himmel. Die Luft war
kühl.
Die Neugierigen hatten sich etwas verzogen, die Polizeiboote auf
dem See verteilt. Männer stachen mit langen Stangen ins Wasser,
Froschmänner tauchten auf und andere kamen in die Boote
zurück.
Kommissar Mandert und seine Begleiter waren gegangen. Ihre Arbeit
hier war zunächst beendet. Die strenge Anordnung, daß
außer den Polizeibooten keine anderen Wasserfahrzeuge den See
benutzen durften, war damit aufgehoben.
Das dunkelrote Motorboot tuckerte Richtung Seemitte.
Die Polizei hatte noch immer nichts gefunden.
Es gab keine Spuren von den verschwundenen Booten und dem
Pärchen aus dem Hotel »Zum See«.
Dabei hatten sie die vermutliche Stelle Zentimeter für
Zentimeter abgesucht.
Sie würden auch nichts finden. Davon war Björn
überzeugt.
Der Gegner kam aus dem Unsichtbaren, aus einem Reich, das
menschlichen Sinnen verschlossen war. Aber Wenigen war es
vergönnt, einen Blick hinter die Kulissen dieser Welt zu werfen,
da sie mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet waren.
Björn konnte durch eigene Geisteskraft keinen hellseherischen
Blick in ein jenseitiges Reich oder ein paralleles Universum
werfen.
Ein anderer Geist, ein anderes Auge beobachtete für ihn
– und informierte ihn dann, wenn es richtig und vor allen Dingen
möglich war.
Das war Al Nafuur.
Es war, als hätte es in diesem Moment nur dieses Gedankens
bedurft, um den Kontakt zu dem Freund im Reich zwischen Diesseits und
Jenseits herzustellen.
»Du bist auf der richtigen Fährte. Halte durch!«
Aus endloser Ferne und wie von atmosphärischen Störungen
begleitet, drang die vertraute Stimme in sein Bewußtsein.
»Die Mitte des Sees…«
Er wollte noch eine Frage stellen, aber da war der Kontakt bereits
wieder unterbrochen. Er kam nicht mehr durch, und auch Al Nafuur
erreichte ihn nicht mehr.
So war es oft.
Aber diesmal war es anders.
Die Falle war aufgestellt. Sie brauchte nur noch
zuzuschnappen.
Björn Hellmark und Rani Mahay wurden erwartet.
*
Wäre auch einer von ihnen ein Sensitiver gewesen, ein Mensch,
der mit seinen überempfindlichen Sinnen Gedanken und
Gefühle empfangen und andere Geistesströme verarbeiten
konnte, hätten sie beide – Björn und Rani – die
Nähe der anderen gespürt.
Auch sie waren zu zweit und unsichtbar wie die Luft, die über
die Köpfe der beiden Bootsinsassen strich und die
Oberfläche des Sees kräuselte.
Lautlos schwebten die Geister unmittelbar über ihnen.
Ein Dämon und ein unsichtbarer Schwarzer Priester begleiteten
die beiden Freunde.
Der Dämon kicherte, aber nur der Schwarze Priester, der
Molochos, dem obersten Dämonenfürsten so ergeben war wie
alle anderen niedrigen Geister, konnte dieses Kichern hören.
»Er merkt nichts… und ahnt nichts…« Die Stimme
klang für menschliche Ohren grauenhaft, krächzend, heiser
und bösartig.
Der Dämon war grün, und seine bizarre Form zerfloß
ständig wie Nebel, in den der Wind fegt. Sein Gesicht war
langgezogen und wirkte wie ein zerknitterter Schlauch, darüber
zwei große, rollende Augen, von einem Geflecht umgeben, das an
ein mit Adern durchzogenes Hirn erinnerte. Das war der Dämon
Kopah.
Seine langen dünnen Arme waren
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