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Macabros 023: Gefangen im Totenmaar

Macabros 023: Gefangen im Totenmaar

Titel: Macabros 023: Gefangen im Totenmaar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Shocker
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Janeiro in Brasilien stand.
     
    *
     
    Bailea fuhr fort: »Wir machen viele Leben durch, viele
Existenzen. Vielleicht waren wir erst Steine? Dann Mikroben? Dann
Pflanzen. Blumen oder Bäume? Jetzt bin ich Daiss-Königin.
Es wird eine erneute Reinkarnation erfolgen. Wieder – als
Daiss-Königin? Ich glaube es nicht.« Sie wandte den Blick
und starrte in eine imaginäre Ferne. »Ich sehe einen Park,
einen wunderschönen Garten, aber es sind nicht die Gärten
Atamias. Ein fremdes Land – eine andere Zeit… ein
Schmetterling schwebt durch die Lüfte. Ich bin dieser
Schmetterling. Du wirst mich sehen, aber mich nicht erkennen. Ich
aber werde dich erkennen und mich auf deine Schulter setzen. Dann
wirst du wissen, daß Bailea es ist, die dich liebt, und deren
Liebe über Zeiten und Räume hinweg nie erlöschen
wird.«
    Ihre Stimme war leiser geworden, der Glanz in ihren Augen hatte
sich verstärkt, als hätte sie Fieber.
    »Du sprichst, als würdest du mich verlieren. Ich sagte
dir, ich komme zurück. Ich muß mein Versprechen halten,
die Dämonen zurückschlagen und den Tapferen deines Volkes
beistehen.«
    Sie schien ihn nicht zu hören. »Vielleicht ist es dazu
zu spät. Sie sind weit vorgedrungen. Ich fühle das
Ende.« Sie blickte sich um, als lauerten in den finsteren Ecken
Gegner, die nur darauf warteten, zuzuschlagen. »Die Diener
– vielleicht sind sie nicht mehr so, wie ich sie kenne. Die
Gegenstände, die mir so vertraut erscheinen – vielleicht
sind es nur Attrappen. Dämonen lauern, und wir erkennen nicht,
wie und wo sie sich verbergen. Geh’, du mußt mich
verlassen, auf dich wartet eine große Stunde, ein großer
Kampf. Rette Atamia, rette die Daiss! Zeige ihnen den rechten Weg,
führe dein magisches Schwert – und alle, die jetzt schon
verloren sind, werden wieder auferstehen und dir folgen – und es
wird das zweite Mal sein, da es geschehen ist, geschehen wird! Lebe
wohl!«
    Schwerwiegende Worte, eine schwere Stunde… Abschied…
    Ein letzter, inniger Kuß. Dann löste Bailea ihre Arme
von seinem Hals und drückte sanft gegen seine Brust. »Du
gehörst jetzt nicht an meine Seite, du weißt es. Du
gehörst woanders hin. Tu’, was du tun mußt!«
    Er verließ das Gemach und eilte die schmalen, gewundenen
Stufen nach unten. Der Duft der hochrankenden Blüten und
Gewächse begleitete ihn.
    Bailea blickte dem Geliebten nach und sah ihn den gewundenen Pfad
gehen, das Schwert in der Hand.
    »Lebe wohl, Kaphoon«, murmelte sie. Eine Träne
rollte über ihre Wange. »Vergiß deine kleine Bailea
nicht, nicht die Stunden, die unwiederbringlich sind!«
    Sie stand am Fenster und wagte nicht sich umzudrehen. Sie wollte
ihm nicht ins Auge sehen, dem Mörder, der hinter ihr stand und
dessen Nähe sie spürte.
    Aus einem in einem goldschimmernden Gefäß stehenden,
verschnörkelten Gewächs, das aus zahlreichen winzigen
Blüten und fingerdicken, verschiedenfarbigen hölzernen
Stengeln bestand, war – ’Er’ geworden. Ein Dämon
hatte ihr Gespräch belauscht.
    Die fingerdicken Stengel wurden zu Tentakeln, und ein Dolch
blitzte auf in den faserigen Anhängseln, die wie Finger wurden.
Der Stahl drang genau zwischen die Schulterblätter der
schönen Bailea.
    Die krallte ihre schlanken Finger in die marmorne Fensterplatte
und schloß die zitternden Lider.
    Ein schmerzliches Lächeln umspielte den Mund. Dann drehte sie
sich langsam um, während das Blut aus der tiefen Wunde quoll,
unter dem Griff des mit Edelsteinen besetzten Dolches hervorschien,
den der mordende Dämon geführt hatte.
    Der Unheimliche war noch immer halb Dämon, halb
Rankengewächs, und ein schreckliches Grinsen lag auf dem
breiten, unmenschlichen Gesicht, das sich aus einem Gespinst dunkler
Stengel bildete und wie ein gespenstisches Geflecht wirkte.
    Kein Schmerzlaut kam über Baileas Lippen.
    Sie sank nieder auf ihr Lager – und starb wie eine
Königin. Das weiße, luftige Gewand wurde zu einem riesigen
Verbandstoff, der das Blut aus ihrem Körper aufsaugte…
    Alle Farbe wich aus ihrem schönen Gesicht, die Lippen, eben
noch feuchtschimmernd und glutrot, wurden bleich.
    Mit dem Rücken war Bailea auf das Lager gestürzt, und
ihre Schmerzen waren schon so groß, daß sie gar nicht
merkte, wie der geschliffene, kostbare Griff des Todesmessers durch
ihr eigenes Gewicht tief in die Wunde und damit in ihre Lungen
gedrückt wurde.
    Sie brachte es fertig, ein Lächeln auf ihre Lippen zu
zaubern. Sie dachte an die Wiedergeburt, als ihr Geist und ihre

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