Macabros 027: Totenbarke nach Xantilon
ergoß sich über das
schimmernde, farbenglühende Gestein, das wie ein grotesk
wirkender, überdimensionaler Tropfen von der riesigen Decke
hing.
Der Dämon öffnete den Schnabel und ließ Throx los.
Der verwundete Krieger rollte über die scharfkantige Treppe,
während der Unbekannte dem Ungeheuer einen zweiten Hieb
versetzte, die Schwertspitze dem herumruckenden Schnabel
entgegenschlug und erneut zum Hieb ansetzte. Oberhalb des
Schnabelsatzes drang das Schwert in den Kopf des Dämons. Der
schlug noch mal mit dem gesunden Flügel, daß die Luft
knatterte.
Wie vom Blitz getroffen, brach er dann unmittelbar vor der
letzten, untersten Felsenstufe zusammen.
Sein rechter Flügel passierte dabei die dunkle, schwingende
Nebelbank, die sich träge über das ufernahe Wasser
wälzte.
An dieser Stelle zerfiel der lederartige Flügel und wurde zu
Staub. Dieser Bereich war noch in Ordnung, hier konnten die
Dämonen nichts ausrichten. Hier bestimmten noch die Gesetze der
alten Weisen aus den Urtagen der Insel das Geschehen.
Warnak stand wie vom Donner gerührt.
Wer war dieser Fremde? Woher kam er? Wie war er in den Vorbezirk
eingedrungen, ohne daß man ihn kommen hörte oder gesehen
hätte?
War er ein Spuk?
Warnak prägte sich seine Erscheinung ein.
Da war sie auch schon wieder verschwunden, als hätte es sie
nie gegeben.
*
Es war ein Gefühl, das zwischen Wachen und Träumen
angesiedelt war.
Ein Gedanke erfüllte ihn: Ich muß ins Reich der Toten.
Das ist unser Ziel. Davon dürfen wir uns durch nichts abhalten
lassen.
Er wußte, daß jemand versuchte, sie daran zu hindern.
Das Unwetter, das Erdbeben – es war von bösen Geistern
ausgelöst worden, von mächtigen Priestern oder Magiern,
welche die Elemente in ihre Abhängigkeit zwangen.
Das alles wurde ihm bewußt, während er sich zwang,
aufzuwachen. Aber er wurde nicht wach. Er glaubte, ein Zentnergewicht
laste auf seinem Hirn.
Ich bin in die Erde eingebrochen! Ich bin verschüttet!
schrien seine Gedanken.
Rani! Pepe! Arson! Kima! Wo sind sie? Es wird ihnen doch nichts
passiert sein? Ich muß nach ihnen suchen…
Seine Gedanken waren hektisch, wie flatternde Schatten, die er
nicht fassen konnte.
Schon wieder andere Einflüsse, andere Überlegungen
erfüllten sein Hirn, ehe er die vorherigen noch recht verdaut
hatte.
Ich bin hier in Gefahr… ich muß weg… aber ich kann
nicht… verdammt, mein Kopf… mein Bein… es brennt wie
Feuer… Pepe… Rani… das Reich der Toten… Sein
Bewußtsein fieberte.
Er registrierte nicht, daß er in einer großen Mulde
lag, daß dicke Erdschollen ihn von allen Seiten einengten,
daß Wurzelwerk und Sand sein rechtes Bein bedeckten .
Totenstille… Wie in einem Grab…
Bilder wie in einem Traum stiegen in seinem Gehirn auf.
Ein dunkles Schattenreich, in dem geheimnisvolle Steine und
Kristalle glühten. Tief unter der Erde. Weit weg von hier.
Er sah alles ganz deutlich und hörte Stimmen.
Sphärenhafte Musik. Das Reich der Toten.
Macabros! wisperte es in seinen Gedanken. Ich muß Macabros
entstehen lassen – die Freunde sind in Gefahr!
Aber das waren nicht die Freunde. Es waren Fremde. Besonders
einer, der im Schnabel eines geflügelten Dämons hing.
Sein Unterbewußtsein schaffte sich Bahn.
Macabros entstand in jenem Schattenreich, und sein geheimnisvoller
Doppelkörper bemächtigte sich des magischen Schwertes, das
er an seiner Seite trug.
Und damit griff er ein in den Kampf, der schon entschieden
schien.
Er erlegte den Dämon und schon wieder flossen die Bilder
ineinander und zerrissen die einzelnen Eindrücke wie in einem
farbenglühenden Kaleidoskop.
Dunkelheit… Sein Herz pochte.
Ich muß wach werden… es ist allerhöchste Zeit!
Aber er kam nicht richtig zu sich und stöhnte, aber nicht mal
das wurde ihm bewußt.
Ich schlafe… ich träume… ich darf nicht länger
hier sein… Und wieder brachen seine Gedanken auseinander. Es
war, als ob er streckenweise die Erinnerung verlöre.
Dann wußte er es wieder: ich muß ins Reich der Toten.
Ich darf nicht länger säumen… die Barken legen
ab… ich muß nach Xantilon…
Wieder Macabros… Unbewußt erstand sein
Doppelkörper, strich durch die finstere Welt und nahm mit seinen
Augen die fremde Umgebung auf: knorrige Bäume, hügeliges
Gelände, hin und wieder eine einsame, verlassene Hütte, die
von Spinngewebe oder großen Schlingpflanzen eingehüllt
war. Windschiefe Fenster und Türen, durch die man in das Innere
des leeren Hauses sehen
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