Macabros 047: Formonatio - Welt des Unheils
wissen also nicht, was dort unten jemals vor sich
ging?«
»Nein. Das heißt: doch ein wenig. Garry erfüllte
sich Wünsche.«
»Wie ist das zu verstehen, Mrs. Shaw?« schaltete Astritt
sich in das Gespräch ein.
»Garry war zum Beispiel ein Büchernarr. Er hat mir
erzählt, daß er jedes Buch herbeischaffen könne,
egal, wann immer es auch gedruckt und veröffentlicht wurde. Ich
sagte mal zu ihm: es wäre besser, du würdest dafür
sorgen, daß die Wasserversorgung für unser Land gesichert
ist. Damit hatten wir eine Zeitlang beachtliche Sorgen, müssen
Sie wissen. Die Brunnen waren nach einer langen Trockenheitsperiode
versiegt. Die Tiere brüllten nachts vor Durst. Wir schafften von
weit entfernten Plätzen in Fässern das kostbare Naß
herbei. ›Auch das kann ich, bald‹, ließ er mich
wissen. ›Sobald ich die Bücher gelesen habe. Leider ist es
nicht so, daß die Kenntnisse über bestimmte Dinge einfach
vom Vater auf den Sohn übergehen. Es muß das Interesse
vorhanden sein und der Mut zum Risiko. Ich schaffe das schon noch,
Peg!‹ sagte er zu mir. Und er schaffte es tatsächlich. Noch
in der gleichen Nacht füllten sich die Brunnen. Es war wie ein
Wunder, denn der Regen, der in dieser Nacht herabkam, reichte nicht
mal aus, auch nur einen Eimer zu füllen. Von da an wurde Garry
mir unheimlich, aber man kann sich im Leben erstaunlicherweise an
alles gewöhnen, und da ich vor meiner Heirat mit ihm schon
einiges über seine Familie gehört hatte, gewöhnte ich
mich um so leichter daran. Es hieß, daß die
männlichen Nachkommen der Shaws Hexer seien. Garry brachte mir
Ringe und Diamanten – und von einem bestimmten Tag an war er
sogar in der Lage, unser krankes Vieh zu heilen. Wir brauchten den
Tierarzt nicht mehr.«
»Das hört sich ja alles sehr interessant an«, sagte
Astritt leise.
»Das Risiko, das er auf sich nahm, war weniger interessant.
Garry setzte die Hexenarbeit seines Vaters fort. In einem
Gespräch teilte mir Garry mit, daß einer der
männlichen Shaws mal durch einen rätselhaften Tod ums Leben
kommen und die Kette unterbrechen würde. Wer dieser
männliche Nachkomme sein könnte, wußte niemand
vorher. Nun jedoch ist wohl überhaupt kein Zweifel mehr
möglich, daß Garry diese Person war. Wir alle haben
erlebt, was…«
Sie seufzte und unterbrach sich unerwartet an dieser Stelle.
»Könnte es sein, Mrs. Shaw, daß von dem geheimen
Kellerraum aus jene Einflüsse kommen, welche Sie in der
Vergangenheit als nächtliche Halluzinationen erlebten und die
schließlich systematisch Ihre Kräfte aufzehrten?«
»Möglich, Mister Holesh. In diesem Haus ist alles
möglich. Wo die Geister herrschen, gelten die irdischen Gesetze
nicht mehr.«
Holesh nagte an seiner Unterlippe.
»Mrs. Shaw…«
»Ja, bitte?«
»Würden Sie mir einen Gefallen tun?«
»Wenn es möglich ist…«
»Könnten Sie uns den Keller mal zeigen, den Ihr Mann
stets heimlich benutzte?«
Er erwartete, daß sie protestierte oder von vornherein nein
sagte. Erstaunlicherweise trat das nicht ein.
»Meinen Sie denn, das würde etwas nützen?«
»Ich weiß nicht. Aber die Wahrscheinlichkeit ist
groß, daß von dort aus all das ausgelöst wurde, was
Sie durchgemacht haben.«
*
Peggy Shaw führte sie nach unten. Die Treppen waren gewunden,
alt und staubig. Der Keller wurde seit Garry Shaws Tod nicht mehr
betreten.
Frank Holesh und Astritt Reven hatten das Gefühl, als
wäre die verhärmte, abgemagerte Farmersfrau über weit
mehr unterrichtet, als sie selbst zugab. Es mußte irgendetwas
geben, was sie daran hinderte, die Karten vollständig auf den
Tisch zu legen. Dennoch war ihr jetziges Verhalten schon ein
großer Fortschritt gegenüber dem, das sie bisher an den
Tag legte.
Im Keller gab es eine Geheimtür.
Die drei nächtlichen Besucher standen vor einer grob
gemauerten Wand, an der Peggy Shaw einen Quader berührte und
seitlich wegdrückte. Diese Bewegung bewirkte, daß die
schwere Steintür wie auf Rollen wegglitt und eine rechteckige
Öffnung freigab.
Muffige Luft schlug ihnen entgegen.
Der Raum vor ihnen war im ersten Moment stockfinster.
Der Lichtschein aus dem Kellerkorridor, in dem sie standen,
vertrieb die dunkelsten Schatten, so daß sie die Umrisse des
fensterlosen Kellerraums schließlich wahrnehmen konnten.
Die Wände waren einfach getüncht und schmucklos. In dem
Raum vor ihnen gab es keine Geräte, kein Gerumpel. Er war
vollkommen leer.
»Darf ich eintreten?« fragte Holesh
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