Macabros 047: Formonatio - Welt des Unheils
leise.
»Bitte.«
Peggy Shaw überschritt die Schwelle nicht.
An Bemerkenswertem gab es in dem kahlen, vollkommen leeren
Kellerraum nur eines: den Fußboden.
Unter dem gleichmäßigen, dichten Staub, der die
Fläche wie einen Teppich bedeckte, befand sich ein aus
dunkelbraunen Keramikplatten bestehender Fußboden.
Daran wäre im ersten Augenblick ebenfalls weiter nichts
Besonderes gewesen, wenn es die seltsamen Zeichnungen nicht gegeben
hätte, die sich darauf befanden.
Unter dem Staub befand sich ein Fußboden, der über und
über mit Szenen aus wundersamen Welten, mit bizarren Gestalten
und Fabelwesen übersät war.
Durch einen Zufall stieß Frank Holesh darauf, als er ein
Streichholz anriß, um etwas mehr Licht zu haben. Dabei
entdeckte er die Fußspuren im Staubteppich, die er selbst
verursacht hatte und gleichzeitig die tief eingegrabenen Linien und
Furchen, die die seltsamen Szenen ergaben.
Da bückte er sich und wischte größere Flächen
mit der bloßen Hand frei.
Was für eine Bedeutung hatten die zum Teil ins Unheimliche,
zum Teil ins Obszöne gehenden Darstellungen?
Holesh konnte sich keinen Reim darauf machen. Nur soviel war ihm
klar, daß sie irgend etwas mit Garry Shaws seltsamen Hang zu
okkulten Dingen zu tun haben mußten.
Garry Shaw hatte wie sein Vater und offenbar sein Großvater
schon Kontakte zur Geisterwelt. Hier unten in diesem Raum gab es
etwas, was einen sofort körperlich anfiel: Unbehagen.
»Ihr Mann hat hier unten viel gelesen, sagten Sie vorhin mal,
Mrs. Shaw?« fragte er unvermittelt, die unangenehme Stille
unterbrechend.
»Ja.«
»Haben Sie die Bücher weggebracht?«
»Ich sagte, daß ich diesen Keller nie betreten habe.
Aber daß die Bücher nicht mehr hier unten sind –
wundert mich überhaupt nicht.«
»Wieso wundert Sie das nicht?«
»Wenn etwas mit Garry passieren würde – würden
automatisch die Schriften verschwinden, mit denen er sich
befaßt hatte. Sie wären dann nicht mehr notwendig.
Erinnern Sie sich daran, daß er ein Shaw war, einer jener
Shaws, die sich mit der Hexerei befaßten! Ein männliches
Glied der Familie sollte durch seinen Tod büßen für
all das, was an Geschenken aus einem finsteren Reich
herübergeschafft worden war. Heute weiß ich, daß
Garry dieser Mann war, das Opfer, der Lohn…«
»Was hat Ihr Gatte hier unten im einzelnen getan? Ich werde
das Gefühl nicht los, daß es für uns sehr wichtig
ist, dies zu erfahren. Hat er Gebete gesprochen? Können Sie sich
möglicherweise an bestimmte Passagen erinnern? Wissen Sie etwas
über die Titel der Bücher, die er hier studierte? Wer hat
den Fußboden hier unten verlegt, wer die Bilder und Szenen
eingeritzt?«
»Das alles kann ich Ihnen nicht beantworten, so seltsam sich
das auch anhören mag, Mister Holesh. Nur eines ist gewiß:
Garry hat hier manche Nacht verbracht. Und er hat nichts anderes
getan – als geschlafen.«
Holesh glaubte, sich verhört zu haben. »Aber es steht
kein Bett hier im Raum! Wo ist es hingekommen, wenn außer Ihrem
Mann niemals jemand…?«
»Es hat nie ein Bett gegeben«, fiel Peggy Shaw ihm ins
Wort. »Er schlief – auf dem Fußboden…«
Frank Holeshs Gedanken jagten sich. Dieses Haus steckte voller
Merkwürdigkeiten und Geheimnisse. Menschen gingen zugrunde, weil
eine unsichtbare Macht Forderungen stellte. Der rätselhafte Tod
Garry Shaws, seine Wiederkehr, sein Verschwinden aus dem Sarg, die
gespenstischen Träume seiner Frau in dem Schlafzimmer über
diesem verborgenen Kellerraum und die Entdeckung der
widerwärtigen Szenen auf dem braunroten Fußboden, die
Garry Shaw mit eigener Hand eingeritzt zu haben schien.
Der Schlaf – der Tod – die Wünsche – hing das
alles irgendwie zusammen?
»Ich habe eine Bitte an Sie, Mrs. Shaw: Würden Sie mir
erlauben, diese Nacht hier in diesem Raum zu verbringen, so wie Ihr
Gatte das manchmal tat?«
Der Vorschlag kam ganz plötzlich auch für Astritt Reven
unerwartet. Sie sah ihren Kollegen mit großen Augen an.
»Ich weiß nicht… was versprechen Sie sich
davon?«
»Ich habe keine bestimmte Vorstellung. Nur einen
Verdacht.«
»Nennen Sie ihn mir!«
»Alles Böse, was geschah, ging von diesem Keller aus.
Gedanken und Gefühle, die hier gedacht und gespürt wurden,
gehen möglicherweise auf eine Macht zurück, die noch immer
existent ist. War diese Macht wirklich nur auf die Shaws konzentriert
– oder können sich mit oder gegen ihren Willen auch andere,
fremde Personen mit ihr in Verbindung setzen, wenn sie
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