Macabros 050: Rha-Ta-N'mys Leichenschlucht
ist
Wahnsinn, auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden. Du kannst
nicht den gleichen Weg zurückgehen. Alle Voraussetzungen, die
ihr damals angetroffen habt, haben sich verändert.«
»Ich weiß. Aber ich muß es trotzdem tun,
Carminia…«
Sie schluckte und richtete sich langsam auf. Er konnte in ihren
Augen lesen, was jetzt in ihrem Kopf vorging. »Du hattest mir
versprochen, nicht mehr wegzugehen – nicht mehr so schnell
jedenfalls. Ich wußte nicht, daß diese Frist von dir so
kurz angesetzt war.« Es klang nicht vorwurfsvoll, es klang
traurig.
Sie lehnte den Kopf an Hellmarks Brust, und er streichelte
zärtlich das duftende, seidig schimmernde Haar.
»Ich kann dich nicht halten. Aber der Gedanke, wieder hier
zurückzubleiben und zu warten, nicht zu wissen, was los ist
– der macht mich krank…«
Er wußte, was sie damit anschnitt.
»Es ist unmöglich. Es ist zu gefährlich. Ihr
könnt nicht mitkommen. Da ist Pepe, Schoko. Er braucht
dich.«
Sie wußte nur zu gut, wie recht er hatte. Solange Björn
Hellmark keinen entscheidenden Vorstoß unternommen, keine
positive Entscheidung herbeigeführt hatte, würde er keine
Ruhe geben. Das unruhige Blut seiner abenteuerlichen Vorfahren, die
bereits gegen die Gespenster der Dämonenherrschaften anstrebten
und einen Status quo herbeiführten, ließ ihm keine andere
Wahl.
»Es ist herrlich hier«, murmelte er und ließ den
Blick in die Runde schweifen. Da war das Meer, da waren die
wunderschönen saftigen Wiesen, die Obstplantagen und die
bestellten Äcker. Völlig autonom konnten sie sich hier
versorgen.
Hier gab es Quellen mit klarem, sauberem Wasser, hier gab es
frisches Obst und Gemüse, es gab Kaninchen auf der Insel und
seit vielen Monaten auch Hühner und Schafe, die sie hier
angesiedelt hatten.
Die Tiere lebten bis auf wenige Ausnahmen in großer
Freiheit. Sie sorgten für sich selbst. Aber die Menschen, die
von der Anwesenheit dieser Tiere ihren Nutzen ziehen sollten, fehlten
noch.
Und Carminia wollte nicht mehr allein sein. »Ja, ich kann
nicht verstehen«, fuhr er fort. »Wir sind nicht für
das Paradies geschaffen… nicht mehr… oder noch
nicht.«
»Wir sind geschaffen dafür, doch, Björn. Aber die
Einsamkeit ist nicht das Paradies. Was nützt mich das Paradies,
wenn der Mann, den ich liebe, nur noch zeitweise für mich
erreichbar ist. Laß uns alles gemeinsam unternehmen,
Björn…«
»Noch nicht, Carminia. Ich weiß zu wenig über das,
was auf uns zukommt. Aber ich werde dafür sorgen, daß
endlich Leben hier einzieht. Camilla und Alan warten
möglicherweise schon auf mich. Ich mache dir einen Vorschlag,
Schoko: wir machen gemeinsam einen großen Ausflug. Wir lassen
uns alle mal wieder den Benzinduft einer großen Stadt um die
Nase wehen. Dann wissen wir wenigstens, was uns hier
entgeht!«
Er wußte, daß Carminia es nicht so gemeint hatte, und
er wußte auch, daß sie Verständnis dafür hatte,
wenn er wieder gehen mußte.
»Aber du wirst nicht gehen!« sagte da die Stimme in
seinem Bewußtsein. »Es wird zu nichts
führen!«
»Al Nafuur!« Björns Lippen bewegten sich im Ansatz
des Sprechers, und beinahe hätte er den Namen laut gesagt. Das
wäre nicht weiter schlimm gewesen, denn die charmante
Brasilianerin kannte sein Geheimnis mit allen Konsequenzen, die
dieses Wissen mit sich brachte. Aber das Zwiegespräch über
Räume und Zeiten hinweg wollte er im stillen führen, wie er
es sich angewöhnt hatte.
Al Nafuur, der Zauberpriester aus dem Lande Xantilon, der
Geheimnisvolle aus einem Zwischenreich, wo es kein körperliches
Dasein mehr gab, meldete sich mal wieder nach langer Zeit.
Al Nafuur war wie Molochos ein Priester aus jenen Tagen, als sich
Xantilons Schicksal entschied.
Doch im Gegensatz zu Molochos gehörte Al Nafuur der
Weißen Kaste an, die ebenfalls den Weg zur Unsterblichkeit
gesucht – und auf ihre Weise auch gefunden hatte. Molochos hatte
Verrat begangen und sein Volk und eine ganze Kultur der Vernichtung
preisgegeben.
Telepathisch hatte Al Nafuur sich schon oft bemerkbar gemacht, gab
Hinweise und Ratschläge, wenn ihm das möglich war, und war
Molochos’ Gegenpol.
»Es ist sinnlos, es zu versuchen, Björn.«
Das Zwiegespräch spielte sich völlig lautlos in
Hellmarks Gedanken ab.
»Dann – kennst du Ranis Schicksal?« dachte er
beklommen und hatte Angst vor Al Nafuurs Antwort.
»Ja – und nein. Er lebt…«
»Aber – dann kann man ihm doch helfen! Wo ist er? Nenne
mir den Ort, wie du mir seinerzeit
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