Macabros 054: Femgericht der Kugelköpfe
die Augen.
»Was soll der Unfug, ich…«
Der Lichtstrahl wanderte über ihn hinweg und blieb an der
Wand gegenüber haften.
Im Licht konnte Longfield nun die beiden Gestalten sehen, die sich
hier in der Wohnung Jims niedergelassen hatten und auf dem Sofa
gegenüber saßen.
Jim war nicht da. Das hatte er auch gar nicht mehr erwartet. Es
war ihm gelungen zu fliehen, es stimmte alles. Er hatte die Gefahr
rechtzeitig erkannt, eine Gefahr, die aus einer anderen Welt hier
herüber gekommen war.
Die beiden Kugelköpfe erhoben sich.
Longfield erkannte, daß einer die Taschenlampe in der Hand
hielt, die hier unten in einer Schublade stets griffbereit lag, um
einen eventuellen Stromausfall für Jim kompensieren zu
können.
Der Lichtstrahl zeigte jetzt genau auf die Wand neben der
Eingangstür.
Dort war ein Bild abgehängt und ein Korbstuhl war seitlich
weggerückt worden. Auf der tapezierten Wand befand sich ein mit
dunkler Kreide dick ausgemalter Rahmen, in dem verschiedene
fremdartige Symbole eingezeichnet worden waren.
Die beiden Guuf kamen auf Longfield zu.
Sie deuteten auf die mannsgroße Fläche.
Longfield setzte sich wie in Trance in Bewegung und musterte die
mit Kreide eingerahmte Fläche auf der Tapete. Es sah gerade so
aus, als ob ungezogene Kinder hier versucht hätten, einen
primitiven Spiegel zu zeichnen.
Vor der Wand blieb er stehen.
»Weitergehen«, erhielt er das Kommando.
»Aber…«
»Es geht… weiter, Helfer des Verräters!«
Er erhielt einen Stoß in die Seite. Der war heftig.
Longfield taumelte gegen die Wand. Genau auf die eingerahmte
Fläche zu.
Er war schon auf den Zusammenprall mit der Mauer gefaßt.
Es erfolgte kein Widerstand!
Er fiel weiter, kippte förmlich nach innen, taumelte und warf
die Arme hoch, um den Fall abzubremsen, auf den er nicht gefaßt
gewesen war.
Die Wand – war gar keine Wand mehr!
Er durchstieß sie wie eine gestaltlose Wolke…
*
… und im nächsten Moment schon war die Welt
verändert.
Das war nicht mehr das Zimmer, in dem Jim seine Tage verbracht
hatte.
Der Geruch war anders.
Scharf, penetrant.
Lärm. Feuerschein am Himmel.
Himmel? Ja! Schwarz und bedrohlich spannte er sich über das
Tal, das umgeben war von riesigen bizarren Gebirgen, die
dunkelviolett glühten, als ob höllisches Feuer in ihnen
glose.
Ein Zeltlager. Wilde Gestalten – Guuf – tanzten um
zahllose Lagerfeuer.
Geruch von Rauch. Und verbranntem Fleisch. Und Öl,
Schweiß und einem Gewürz, das er nicht definieren
konnte.
Pferde wieherten. Menschenstimmen. Gelächter und wildes
Grölen…
Clark Longfield stöhnte.
Neben ihm tauchten die beiden Kugelköpfe auf, die sich in
Jims Quartier häuslich eingerichtet hatten.
Der eine hielt die Taschenlampe nicht mehr in der Hand, er hatte
sie in der Wohnung zurückgelassen.
Zurückgelassen?! Wie sich das anhörte!
Der Arzt begriff, wo er sich befand, auch wenn er es nicht
wahrhaben wollte. Er verstand nun, weshalb Cynthia Moreen seinerzeit
so zögernd, von ihren unheimlichen nächtlichen Erlebnissen
berichtet hatte. Eine Zeitlang war sie Nacht für Nacht aus ihrem
Bett verschwunden, während sie meinte, von einem fremden,
furchtbaren Land zu träumen. In Wirklichkeit befand sie sich in
diesem fremden, furchtbaren Land, in dem Geister und Dämonen
herrschten, wo es die Guuf, wo es Haophylkontromtetcoilak gab, wo
schwarze und weiße Kasten aufeinander losgingen, weil ein
Priester der schwarzen Kaste die Macht über jene nächtliche
Traumwelt erringen wollte.
Diese nächtliche Traumwelt Cynthia Moreens war auch für
ihn manifest geworden! Er sah sie nicht nur, er konnte sie
fühlen, riechen und schmecken. Sie umgab ihn, sie verleibte sie
ihm ein.
Er hatte die Grenze passiert.
»Wir sind da«, hörte er die Stimme eines Guuf
hinter sich. Und er erhielt abermals einen Stoß in den
Rücken, der ihm zu verstehen gab, daß er weiter nach vorn
gehen sollte.
Ja, er war da! Die ganze Tragweite seiner Ankunft aber
erfaßte er gar nicht.
Dr. Clark Longfield befand sich in einer Welt, die vor
zwanzigtausend Jahren existierte!
Er hatte Raum und Zeit durcheilt und befand sich auf der Insel
Xantilon!
*
Er spürte plötzlich eine Unruhe, der er nachging.
Hellmark gab sich einen Ruck.
Warum tauchte Tina Marino nicht auf dem Balkon auf, der in ihrem
Blickfeld lag?
Das konnte Zufall sein – brauchte aber nicht.
Mit zwei schnellen Schritten war er an der Tür.
»Tina!« entfuhr es ihm, als er den leeren Balkon
sah.
Anka
Weitere Kostenlose Bücher