Macabros 061: Wenn Shimba Loos Todesruf erschallt
es trug seine Initialen: G.B.«
»Sie haben recht«, bestätigte der Lord und strich
mit den Fingern der rechten Hand leicht über den Rahmen des
Bildes. »Der Turm befindet sich hier, direkt auf dem
Grundstück meines Bruders, etwa zwei Meilen vom Haus entfernt.
Dort hat man vor weit über vierhundert Jahren auch dieses Bild
gefunden – es war Baskins letztes Werk.«
»Und von dem Maler hatte man keine Spur mehr gefunden«,
setzte Gerlon den Gedankengang fort. »Wohin mag er nur
verschwunden sein…?«
»Es ist wohl müßig, darüber zu
diskutieren«, entgegnete der Lord. »Gehen wir?«
Der Amerikaner nickte und warf einen letzten Blick auf das Bild.
Der Turm stand deutlich vor seinen Augen.
Plötzlich zuckte ein Blitz aus dem Bild und bohrte sich genau
in Charles Gerlons Stirn.
Mallory Hathaway hatte von dieser Erscheinung nichts bemerkt. Ohne
sich umzudrehen, ging er zur Tür.
Der Amerikaner preßte seine Hände auf das Gesicht und
stöhnte laut. Sein Kopf drohte zu zerspringen. Tränen
flossen aus seinen Augen.
Erst jetzt sah der Lord, daß mit seinem
Geschäftspartner etwas nicht stimmte. Verwundert ging er auf
Gerlon zu.
Da nahm der Kunsthändler seine Hände von der Stirn.
Hathaway prallte zurück.
»Das«, stammelte er, »das gibt es doch
nicht!«
Die Augen schienen dem Lord aus den Höhlen zu treten, als er
die Stirn seines Gegenüber betrachtete.
Zwei Buchstaben hatten sich dort schwarz und tief eingebrannt.
Überdeutlich waren sie zu erkennen.
Es war ein Monogramm.
G. B. – Gerald Baskin.
Charles Gerlons Stirn sah aus, als wäre sie von dem
französischen Maler signiert worden!
*
Der unstete Blick Hathaways glitt hinüber zu dem Bild.
Hier erlebte er die nächste Überraschung.
Die Signatur auf dem Bild fehlte. Sie war verschwunden…
*
Die dritte Überraschung war für den Lord
tödlich.
Sein Blick hing noch immer verwirrt auf dem Bild, das noch vor
einer Minute signiert gewesen war, dann irrte er wieder auf die Stirn
des Amerikaners zurück.
Gerlons Gesicht hatte sich verändert.
Die Augen wirkten hart und kalt, um die Lippen spielte ein
brutaler Zug. Die Nase des Kunsthändlers bebte.
Doch Hathaway kam nicht mehr dazu, seine Eindrücke zu
verarbeiten.
Plötzlich duckte sich Gerlon und sprang ihn an.
Darauf war der Lord nicht gefaßt. Der Aufprall riß ihn
von den Beinen und zu Boden.
Hart stieß er mit dem Hinterkopf gegen die Wand.
Gerlon setzte nach.
Wie Stahlklammern griffen die Hände des Kunsthändlers
nach Hathaways Hals und drückten zu.
Der Lord hatte sich noch nicht von dem Aufprall erholt. Sein
Hinterkopf dröhnte, als hätte sich dort ein
Hornissenschwarm eingenistet. Mallory Hathaway kämpfte mit einer
Ohnmacht.
Aber die wohltuende Erlösung wollte nicht kommen.
Untätig und kraftlos mußte der Lord es mit sich
geschehen lassen, daß ihm die Luft abgestellt wurde.
In Hathaways Körper tobte ein Wirrwarr der Gefühle.
Todessehnsucht, Selbsterhaltungstrieb, der Wunsch nach Schlaf, die
Sehnsucht nach Rache – all diese Impulse wollten in einem
Sekundenbruchteil zum Ausbruch gelangen und stürzten das Opfer
in einen Taumel zwischen Wahnsinn und Hoffnungslosigkeit.
In einem letzten lichten Moment schlug Hathaway zu. Er traf seinen
Widersacher genau auf die Stirn.
Die Wirkung dieses Schlages war ein neuer Alptraum.
Das Monogramm färbte sich rot und wurde unleserlich.
In schweren Tropfen fiel Blut auf Hathaways Gesicht.
Der letzte Eindruck, den Hathaway wahrnahm, war ein Rinnsal von
Blut, das in die Augen seines Gegners floß, und eine klaffende
Stirnwunde, die sich sofort wieder schloß.
Als das Leben aus Lord Hathaways Körper wich, sah die Stirn
des Kunsthändlers wieder so aus, wie eh und je.
Charles Gerlon schien ganz normal zu sein.
*
Der Kunsthändler ließ die Leiche liegen, wo sie war,
und verließ das Anwesen.
Mit den Schlüsseln, die er dem Lord abgenommen hatte,
verschloß er das Herrenhaus und betrat die Garage, in der ein
Jaguar stand.
Es handelte sich um eine ältere Limousine vom Typ MK-IV. Sie
schien aber noch gut in Schuß zu sein.
Ohne lange zu zögern, probierte Gerlon die Schlüssel
durch, bis er den richtigen gefunden hatte.
Dann startete er den Wagen, fuhr aus der Garage und
verschloß auch sie.
Erst als er alle Spuren verwischt zu haben glaubte, fuhr er in dem
gestohlenen Wagen nach London zurück.
In Barnet ließ er den Jaguar stehen, versäumte es aber
nicht, das Fahrzeug sorgfältig
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