Macabros 061: Wenn Shimba Loos Todesruf erschallt
er und rannte auf
den Turm zu. Isabella hatte das Gebäude schon fast erreicht.
Plötzlich stutzte das Mädchen und bückte sich.
Prüfend glitten ihre Finger über einen Stein.
»Was ist das?« fragte sie den Maler, als dieser heran
war.
Baskin sah auf den Stein. Fein säuberlich waren in ihn die
Initialen I.L. und G.B. eingeritzt worden.
»Ach das«, meinte er fast beiläufig. »Das habe
ich hier eingeritzt, als ich mal eine kleine Malpause unternahm
– in einer sentimentalen Minute.
Ich wollte unsere Bindung symbolisieren, unsere Liebe. Isabella
Lorette und Gerald Baskin… Wer hätte vor einem Jahr, als
ich dich unter solch unglücklichen Umständen traf, gedacht,
daß unsere Beziehung so intensiv werden würde?«
Plötzlich wurde seine Stimme leidenschaftlich. »Ich liebe
dich, Isabella, ich liebe dich!«
»Ich liebe dich auch«, sagte sie, wurde aber sofort
wieder ernst. »Aber glaubst du nicht, daß für solche
Beteuerungen jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist? Dort hinten sehe
ich die ersten Pferde…«
Baskin drehte sich um. Ja, jetzt sah er es auch. Eine Gruppe von
Reitern sprengte genau auf den Turm zu. In dem ersten Mann glaubte
Gerald Baskin in der Tat seinen Bruder zu erkennen.
Die Reiter kamen schnell näher…
*
In diesem Augenblick bedauerte Gerald Baskin es, daß er den
Turm bisher nur von außen beachtet hatte. Er hätte sich
schon früher um das Innere des Gebäudes kümmern
sollen, dann würde er jetzt auch wissen, wohin er sich wenden
mußte.
Die Tür in den Turm war unverschlossen. Ehe die Reiter die
beiden Menschen entdeckten, waren sie schon in das Bauwerk
eingedrungen.
Treppen führten nach oben und nach unten. Gerald Baskin
entschloß sich impulsiv für den Weg in den Keller.
Hier war es stockdunkel. Einige Fackeln steckten in den
Wänden. Der Maler zündete eine an und nahm sie aus ihrer
Halterung.
Langsam stiegen sie die Treppe hinab. Hier roch es nach Verwesung.
Auf dem Boden des Kellers sammelten sich Wasserpfützen.
Im Hintergrund erkannte Isabella einen Stollen, der in den
Hügel führte.
Ohne zu zögern schlugen die beiden Menschen diese Richtung
ein. Der Stollen schien unendlich weit in die Erde
hineinzuführen und kein Ende nehmen zu wollen. Als sie schon
mehrere hundert Meter zurückgelegt haben mußten, blieb
Isabella stehen.
»Ich kann nicht mehr«, sagte sie. »Glaubst du
nicht, daß wir unsere Verfolger schon abgehängt
haben?«
Unmerklich schüttelte Gerald Baskin den Kopf. »Ich kenne
Ricardo«, sagte er. »Er wird den Turm genau unter die Lupe
nehmen und uns sicher finden, wenn wir nicht weitergehen. Sicher wird
er den Stollen entdecken.«
Einige Meter weiter vorn machte der Stollen eine Biegung. Gerald
Baskin warf einen nachdenklichen Blick auf die Fackel, die bald
heruntergebrannt sein würde.
Plötzlich schrie Isabella auf.
Da entdeckte auch Baskin die Ursache ihres Schreckens:
Vor ihnen lag ein gigantisches Skelett – ein Knochengerippe
größer als der Stollen.
Die Knochen bildeten die neue Stollenwand…
*
Das Gerippe schien einen Tunnel zu bilden. Isabella beruhigte sich
wieder. Sie wußte, daß sie durch die Schreie nur Ricardo
unnötig aufmerksam machte.
Langsam gingen die beiden Menschen weiter. Als sie schon in dem
Knochentunnel standen, blieb Gerald Baskin abermals stehen und strich
mit der Hand prüfend über einen der großen Knochen.
Zitternd zog er seine Hand wieder zurück. Starke Erregung schien
ihn ergriffen zu haben.
»Shimba-Loo«, murmelte er. »Dies ist der Eingang in
Shimba-Loos Welt!«
»Was murmelst du da?« fragte Isabella verwundert.
»Welcher Eingang ist das?«
Gerald antwortete nicht. Benommen griff er sich an den Kopf und
fuhr mechanisch über seine Stirn.
»Ich habe den Eingang gefunden«, sagte er mit
ersterbender Stimme.
Unvermittelt begann Gerald Baskin zu rennen. Schnell legte er zehn
Meter zurück, dann blieb er abrupt stehen.
Seine Augen weiteten sich, wie bei einem Menschen, der etwas
Furchtbares gesehen hat. In der Tat schien Gerald Baskin in diesem
Augenblick etwas Schreckliches entdeckt zu haben, denn plötzlich
löste sich ein gequälter Schrei aus seiner Kehle.
So unvermittelt wie zuvor warf sich der Maler wieder herum und
rannte in den Stollen zurück.
Allerdings kam er nicht weit.
Zehn Meter hinter Isabella Lorette brach er zusammen.
Die Frau verstand nichts mehr. Noch immer hörte sie Geralds
Schrei von den Wänden widerhallen und befürchtete schon,
daß Ricardo und seine
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