Macabros 064: Es erwacht der Ursen-Wahn
das Werk weniger Sekunden. Pepe perlte der
Schweiß auf der Stirn. Er atmete schneller als gewöhnlich.
Er wirkte etwas ermattet, war aber glücklich.
»Das hast du gut gemacht«, sagte Björn nicht
weniger froh. »Nun werden wir sehen, wie’s
weitergeht.« Er nahm den Jungen bei der Hand. »Du wirst
immer auf Tuchfühlung mit mir bleiben, Pepe. Noch funktioniert
Velenas Armreif, und den werde ich benutzen, so oft es notwendig ist.
Das kann im nächsten Moment sein – das kann eine Stunde
dauern. Vielleicht brauchen wir ihn auch überhaupt nicht. Aber
dessen bin ich mir nicht so sicher. Es muß uns gelingen,
ungesehen in den Palast einzudringen, wo Loana, die Herrscherin der
Feuermenschen, sich aufhält. Mit Velenas Armreif dürfte
dies, wie du gerade gesehen hast, überhaupt keine Mühe
bereiten. Wenn es einen Ausweg gibt, um von Kh’or Shan
wegzukommen, dann werden wir ihn finden. Aber dann – dies
Versprechen geb’ ich dir – wird es nicht ohne Carminia
sein. Die fixe Idee, daß sie Loana, die Herrscherin über
das Feuerland und Rha-Ta-N'mys willige Gehilfin ist, diese fixe Idee,
Pepe, müssen wir ihr austreiben…«
*
Er erhielt einen harten Tritt in die Seite.
Rani Mahay zuckte zusammen. Wie Feuer raste der Schmerz durch
seine Eingeweide.
Im ersten Moment begriff er nicht, wo er sich befand und warum
dies geschah. Als er die Augen aufschlug und das schuppige
Fischgesicht über sich sah, kehrte jedoch seine Erinnerung
schlagartig zurück.
Von der Seite her wurde ihm ein Eimer Wasser über den Kopf
gegossen.
»Du bist nicht hier, um zu schlafen«, vernahm er eine
spöttisch klingende Stimme. »Dafür hättest du dir
einen anderen Ort aussuchen sollen. Wir wollten eigentlich eher,
daß du dich mit uns unterhältst…«
Mahay erwiderte den Blick der kalten Fischaugen. »Und wenn
ich keine Lust zum Sprechen habe?« fragte er leise.
»Dann werden wir dich dazu zwingen. Wir haben Mittel und Wege
dazu. Dies jedoch würden wir dir nicht empfehlen.«
In dem schuppigen, feuchtglänzenden Gesicht mit den
Fischaugen regte sich außer dem schmalen Fischmaul kein
einziger Muskel. Das Antlitz war seltsam reglos und starr.
Rani Mahay wollte sich erheben. Doch das ging nicht. Man hatte ihn
kunstgerecht verschnürt wie ein Paket. Damit glich er den
anderen im Laderaum. Mit einem Unterschied, daß man ihn nicht
in eine Plane eingewickelt hatte.
Der Inder ärgerte sich. Im stillen schalt er sich einen
Narren, daß er sich verhalten hatte wie ein blutiger
Anfänger.
Lautlos wie ein Schatten mußte sich eines der
Besatzungsmitglieder durch einen Seiteneingang genähert und ihn
niedergeschlagen haben.
Rani befand sich nicht mehr im Laderaum. Er lag auf den Planken
des Schiffes, in unmittelbarer Nähe der Säcke, zwischen
denen er den Ursen, der ihn hätte verraten können,
versteckt hatte.
Doch der war von einem seiner Begleiter gefunden worden. Die
Säcke waren auseinandergezerrt und der Urse verschwunden.
Mit harter Hand wurde der Inder emporgerissen. Fünf Ursen
umringten ihn.
Der ihn zuerst angesprochen hatte, schien der Wortführer der
Gruppe zu sein.
»Normalerweise wissen wir immer, wen wir an Bord haben«,
fuhr der Fischgesichtige zu sprechen fort. »Wie du dich jedoch
dazugeschmuggelt hast – ist uns ein Rätsel.«
Mahay grinste. »Dann lassen wir das auch ein Rätsel
bleiben…«
Mitten in der Bemerkung erhielt er erneut einen Fußtritt.
Der traf ihn voll in die Seite. »Treib’s nicht zu
arg«, zischte der Sprecher der Fischgesichtigen. »Wenn wir
die Geduld verlieren, geht’s dir schlecht. Denk’ immer
daran, daß wir dich in der Hand haben und nicht du uns! Du
kannst es dir bedeutend leichter machen.«
Rani Mahay sah sich in der Runde um. Er vermochte nicht zu sagen,
wie lange er bewußtlos gewesen war. Noch immer Nacht.
Sternenklarer Himmel über dem ruhigen Meer. Der Wind hatte etwas
aufgefrischt. Ferne Lichter auf dem Kontinent waren nicht mehr
wahrnehmbar. Sie mußten sich schon sehr weit davon entfernt
haben.
Der starke Motor dröhnte und ließ das alte Schiff
erzittern. Die Maschine trieb das Fischerboot sehr schnell voran.
Mahay fragte sich, wie lange wohl diese alten Planken noch halten
würden bei der Belastung, die der überstarke Motor für
das kleine Boot darstellte. Aber darüber schienen sich die
Ursen, die die ESMERALDA auf ihre Weise in Schuß gebracht
hatten, gar keine Gedanken zu machen.
Der ihn angesprochen hatte, gab seinen Begleitern ein Zeichen. Die
griffen
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