Macabros 065: Xantilon - Urkontinent aus der Asche
emporschleudern wird…«
*
Minutenlang starrte der grausame Herrscher über die Ursen auf
den Mann vor seinen Füßen.
Er gab einige Anweisungen. Daraufhin bemühten vier Ursen
sich, das Schwert des Toten Gottes aus der Umklammerung zu nehmen.
Sie alle vier waren auch notwendig, um die Waffe, die nur für
Hellmarks Hand geschmiedet worden war, auf die Seite, hinter eine
Säule zu ziehen.
Dann winkte Sequus seine Untertanen zurück. Nur wenige
blieben mit ihm in der großen Thronhalle, in der die
Düsternis bedrückend und die Luft erschreckend stickig
war.
Wie beschwörend hob Sequus unter den mächtigen
Flügelansätzen seine kräftigen, muskulösen Arme.
Der Blick seiner starren Augen war in eine ungewisse Ferne gerichtet,
und er schien etwas wahrzunehmen, was seine Untertanen nicht
erkannten.
»Ja«, murmelte dieses Wesen, das ein Mittelding zwischen
Fisch, Mensch und Vogel war, mit dumpfer Stimme, »sie
kommen… und er ist gerade zur rechten Zeit hier eingetroffen, um
selbst zum Schlüssel in einem Geschehen zu werden, das er so
gern verhindert hätte…«
Sequus hob kaum merklich den wuchtigen Fischkopf. Grausamkeit und
Härte kennzeichneten seine Züge.
Er nahm mehr wahr, als seine sichtbar erkennbaren Sinne dies
vermuten ließen. Sequus’ magisches Auge durchblickte die
Wände und die Wasser über ihm.
So ahnte er mehr die beiden sich nähernden Schatten vom Ende
des Horizonts, die direkt aus dem sich öffnenden, diffusen
Himmel zu kommen schienen.
Es waren zwei Reiter. Zwei schwarze Ritter auf zwei pechschwarzen,
wilden Pferden.
Lautlos kamen sie durch die Lüfte und schienen über den
spiegelglatten See zu jagen, ohne dessen Oberfläche zu
berühren.
Rasend schnell kamen sie näher. Dann tauchten sie ein ins
Sequus’ Reich, des Königs der Ursen…
*
Sie war erschöpft von dem langen Marsch, und dennoch konnte
sie nicht schlafen.
Zusammen mit Pepe hielt sie sich in dem gut gesicherten Versteck
auf und hing ihren Gedanken nach.
Jedes Geräusch außerhalb veranlaßte sie, den Atem
anzuhalten und zu lauschen.
Trotz des relativ guten Verstecks fürchtete sie sich
ständig vor der Rückkehr der beiden schwarzen Reiter.
»Schlaf endlich, Carminia«, sagte Pepe an ihrer
Seite.
»Ich bin nicht müde…«
»Doch, das bist du! Du machst dir Sorgen. Das sehe ich dir
an.«
Er kannte sie genau.
»Unsinn…« Sie ärgerte sich gleich darauf,
daß sie so heftig reagiert hatte. Sie lächelte und fuhr
mit der Rechten über seinen schwarzen Wuschelkopf. »Schlaf
du! Du hast’s nötiger als ich…«
Zähflüssig verstrichen die Minuten.
Als zehn Minuten vergangen waren, kam es ihnen vor, als wären
es Stunden gewesen.
Carminia Brado warf einen Blick auf den Jungen neben ihr. Der
14jährige hatte die Augen geschlossen, und tiefe Atemzüge
kündeten davon, daß Pepe schlief.
Sie selbst fühlte sich erstaunlich aufgekratzt und munter,
obwohl nach dem kräfteverzehrenden Marsch durch den Dschungel
eher das Gegenteil hätte der Fall sein müssen.
Eine seltsame Unruhe erfüllte sie…
Carminia erhob sich und warf durch die Ritzen der
Blätterwand, die sie alle gemeinsam aufgebaut hatten, einen
Blick nach draußen. Sie vergewisserte sich, ob keine Gefahr
drohte.
Dann erst drückte sie den Blättervorhang zur Seite und
ging ins Freie. Die Luft war mild. Finsternis hüllte die junge
Frau ein.
Die Geräusche des Dschungels drangen an ihre Ohren. Alles war
so fremd – und doch so vertraut. Sie hätte schwören
können, genau hier, an dieser Stelle, schon mal gewesen zu
sein.
Die ovale Lichtung mitten zwischen den gigantischen Bäumen
hatte einst eine Bedeutung gehabt.
Die Brasilianerin ging auf und ab. Aufmerksam richtete sie den
Blick auf den Boden, als suche sie etwas Bestimmtes. Carminia ging in
die Hocke und tastete den moosigen, feuchten Untergrund ab. Dann
begann sie einzelne Grasbüschel auszureißen und mit
bloßen Fingern die krumige Erde wegzuscharren.
Die Erregung hatte sie gepackt.
Sie glaubte, sich plötzlich wieder an etwas zu erinnern…
oder war es nur Einbildung?
Ihre Bewegungen wurden hastiger. Carminia Brado konnte nur mit
Mühe die Nervosität verbergen, die sie erfüllte.
Hier, unter dem Boden, mußte es sein…
Und dann fand sie, was sie gesucht hatte.
Mehr als zwanzig Zentimeter tief hatte sie sich mit den
Händen in den lockeren Boden gegraben. Die Öffnung vor ihr
betrug etwa einen halben Quadratmeter.
Unter ihren Fingerkuppen spürte sie das glatte,
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