Macabros 089: Rückkehr in den Totenbrunnen
muß
die genauen geologischen Daten wissen, wo der Brunnen liegt. Es gibt
gewiß Aufzeichnungen darüber. Evita war in diesen Dingen
sehr verläßlich und genau. Wenn ich die Daten habe, kann
ich umgehend etwas unternehmen. Dies wäre der kürzeste Weg,
um vielleicht zum Ziel zu kommen. Ich kann mir nicht vorstellen,
Julio, daß Evita Ihnen auch die Lage des Brunnens verschwiegen
hat?«
»Nein, natürlich nicht. Ich weiß, wo er sich
befindet.«
Björn atmete erleichtert auf. »Dann geben Sie mir genaue
Hinweise…«
»Die kann ich Ihnen geben. In meiner Wohnung. Dort liegen
alle Papiere Evitas. Sie hat bis zuletzt mit mir zusammen
gewohnt.«
»Helfen Sie mir, und ich kann möglicherweise Evita
helfen…«
»Darauf baue ich. Sie kriegen die genauen geologischen Daten,
Senor Hellmark… allerdings unter einer Bedingung…«
»Die wäre?«
»Ich komme mit Ihnen.«
»Das ist ausgeschlossen!«
»Dann eben nicht…«
»Julio, bedenken Sie, worauf Sie sich da einlassen. Das
Unternehmen – ist lebensgefährlich.«
»Daß es kein Vergnügungsspaziergang durch den
Dschungel sein wird, kann ich mir lebhaft vorstellen. Aber haben Sie
bitte auch Verständnis für meine Lage. Ich muß
wissen, was dort los war… Ihr Vorhaben kommt mir entgegen. Bei
dieser Gelegenheit sehe ich auch jenes Maya-Volk, an dessen Existenz
kein Mensch mehr glaubt.«
Björn gab nach. Er hatte schon zuviel Zeit verloren, um sie
in einem Disput mit Hernandez noch mehr zu vergeuden.
» Einverstanden.«
Sie fuhren den Weg zurück, den sie gekommen waren.
»Bergab geht’s sowieso schneller«, sagte er
mal.
Um nach Mexiko City zurückzukommen, benötigten sie zehn
Minuten weniger als für die Herfahrt.
Julio Hernandez steuerte direkt in die Avenida Benito Juarez.
Björn hob erstaunt die Augenbrauen. »Was wollen wir denn
hier?«
»Hier wohne ich, Senor. In der Nummer 128 – nur drei
Häuser von der ehemaligen Wohnung Evitas entfernt. Allerdings in
einem neuen Apartment. Nun, Sie werden es gleich
sehen…«
*
In der Wohnung angekommen, bot der Mexikaner seinem Gast eine
Erfrischung und kalte Tortillas an. Hellmark hatte Hunger und
aß.
Evita stand ein eigener Raum zur Verfügung.
Er war abgeschlossen.
»Seit sie in der Anstalt, ist, habe ich ihn nicht mehr
betreten.« Julio Hernadez führte Björn in den
Raum.
Der Geruch haftete ihren Möbeln und ihren Kleidern an, die
noch im Schrank hingen.
Ein riesiger Schreibtisch stand direkt vor dem Fenster. Alle
Schubladen enthielten Ordner und Schnellhefter, in denen
bündelweise beschriebenes Papier aufbewahrt wurde.
Mit einem einzigen Griff holte Julio die betreffenden
Unterlagen.
»Sie sind als Tagebuchaufzeichnungen angefertigt worden.
Genaue Kartenskizzen sind vorhanden…«
Es bedurfte nicht Hernandez’ Erläuterung.
Alles war so gründlich und präzise zu Papier gebracht,
daß Hellmark sich sofort zurecht fand.
Es stimmte tatsächlich. Fast auf den Tag genau zwei Jahre
nach ihrer Rettung war Evita Mochares dem Drang erlegen, nochmal den
Ort des Grauens aufzusuchen.
Von Anfang an kalkulierte sie ihr Risiko nicht zu knapp ein.
Für Freunde und Bekannte gab es Hinweise für den Fall,
daß sie nie wieder zurückkommen sollte. Da sollten alle
vorhandenen Unterlagen verbrannt werden.
Aber sie hatte nicht an den Wahnsinn gedacht.
Sie kam zurück, und die Unterlagen blieben erhalten. Zum
Glück für Björn Hellmark, der sich sofort darüber
informieren konnte, wo die Stelle lag, an der noch heute
Maya-Priester junge weibliche Stammesangehörige ihrem
»Schlangengott« opferten.
Die Stelle war durch ein rotes Kreuz in der Karte markiert.
»Es ist in Ordnung«, sagte Björn unerwartet.
»Wir können aufbrechen…«
»Die Überraschungen enden bei Ihnen wohl nie?«
fragte Hernandez irritiert. »Wir werden mindestens drei Tage
benötigen, um alles in die Wege zu leiten, um…«
»Wir können in dieser Minute gehen. Sie wollten sich mir
anschließen, Julio… bitte, dann tun Sie es. Ich habe wenig
Zeit. Einen großen Marsch durch den Dschungel haben wir nicht
vor, und allezulange soll der Aufenthalt dort auch nicht dauern. Ich
habe vor, in den Brunnen zu gehen und auf der anderen Seite etwas zu
holen. Dann will ich schon wieder zurückkehren.«
Das alles hörte sich einfach an.
Julio Hernandez schüttelte den Kopf. »Ich habe mich zwar
an Überraschungen bei Ihnen gewöhnt, Senor – aber es
gibt Schwierigkeiten, die sich nicht einfach mit leichter Hand
beiseite wischen
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