Macabros 117: Amoklauf der Verlorenen
denen die zwei Zelter gekommen
sein mußten; er konnte sich nicht vorstellen, daß sie zu
Fuß unterwegs waren. Und wenn es sich um zwei Tramper handelte,
dann mußten sie sich in der Nähe aufhalten. Denn es war
kaum damit zu rechnen, daß sie ihr Zelt hier in der
Abgeschiedenheit allein zurückließen.
Dem Sonnenstand nach zu urteilen, war es schon Nachmittag.
Blobb-Blobb hielt Ausschau nach einem Bach oder Teich, am dem die
beiden Zelter sich vielleicht niedergelegt oder Wäsche wuschen.
Er suchte auch nach einer eventuellen Feuerstelle.
Doch er fand weder das eine noch das andere.
Der Hügel lag verlassen…
Das ungute Gefühl in Blobb-Blobb wurde stärker.
War ein Verbrechen passiert?
Noch während er diesen Gedanken faßte, hörte er
aus der Ferne einen erstickten Aufschrei.
»Hiiilllfffeee!«
Dann herrschte Totenstille.
Blobb-Blobb warf sich in der Luft herum und jagte in die Richtung
davon, aus der der Hilferuf gekommen war.
*
In einer anderen Zeit, in einem anderen Land…
Die Freunde gingen den Pfad, der ihnen schon vertraut war.
Ohne Zwischenfalle erreichten sie den Dschungel.
Hier waren kürzlich Rani und anschließend Danielle von
beseelten Pflanzen Vunars entführt worden und dadurch dem
Zugriff der dämonisch beeinflußten entgangen, die unter
Umständen ihren Tod hätten herbeiführen können.
Doch das Eingreifen der grünen Priesterin war nicht ganz
uneigennützig gewesen.
Sie hatte Ranis und Danielles Festnahme in einen großen und
gewagten Plan integriert, um das Grauen zu bekämpfen, das sich
mehr und mehr in ihrem Einflußbereich geltend machte. In dem
Dschungeldorf, das ihr zu Hause war, waren von Dämonen
übernommene und beeinflußte Seelen aus dem Totenland in
Pflanzen eingefahren und beherrschten sie. In gewagtem Unternehmen
hatte Björn die Seelen, die dafür noch bereit standen,
befreit und ihnen die Rückkehr aus dem von Dämonen
kontrollierten und jederzeit zugänglichen Totenland
ermöglicht.
Diese Geister aus dem Totenland hatten eine neue Chance, wieder
das zu werden, was sie mal waren: Wacher und Helfer für die
Verstorbenen und Getöteten, die sie mit den
Totenflößen ins Jenseits zu bringen hatten. Dies war seit
jeher ihre Aufgabe gewesen. Durch eine Verkettung tragischer
Umstände war das kleine Volk von seiner ursprünglichen
Aufgabe abgekommen.
Die Hütten im Dorf waren noch immer leer. Und doch war das
Dorf nicht mehr ausgestorben.
Die Geister aus dem Totenland waren eingekehrt in Pflanzen, in
denen sie ihre neue Existenz begannen.
Die grüne Priesterin war zu einer Herrscherin über ein
Geisterreich geworden, und niemand von denen, die in irgendeiner Form
mit den ungewöhnlichen Vorfällen zu tun hatten,
wußte, wie die Entwicklung weiterging. Hatten die Geister im
Innern der Kristallfelsen überhaupt eine Chance, noch mal eine
Weiterentwicklung durchzumachen oder ging mit Xantilons Untergang,
der nicht mehr aufzuhalten war, alles zugrunde?
Die Stunde des Abschieds war gekommen.
Vunar bedankte sich bei Björn noch mal für alles, was er
für sie und ihr Volk getan hatte, und sie versprach, dafür
Sorge zu tragen, daß in diesem Land die Dämonischen keine
Gelegenheit mehr hatten, noch mal Fuß zu fassen…
Björn und seine Freunde blickten sich ein letztes Mal an dem
Ort um, wo sie soviele merkwürdige, unheimliche Dinge erlebt
hatten.
Björns Blick ging über die Stelle hinweg, wo er
ahnungslos und hilflos neben Carminia auf dem Boden lag. Seine Psyche
war dabei unter dem Einfluß der Götterdroge auf eine Reise
in einen Traumkosmos gegangen, der ihm die Augen für neue
Zusammenhänge geöffnet hatte.
Zwischen den Büschen am Ende des Platzes sah er etwas
Glitzern. Er ging darauf, drückte den Blättervorhang zur
Seite und wollte nicht glauben, was er sah.
Der Kristall, der am Boden lag, hatte eine typische Form, und die
vergaß er nicht.
»Ein Kristall aus dem Traumkosmos der Götter!« rief
er überrascht und griff danach, glaubte allerdings nicht daran,
daß er festen Widerstand spüren würde. Seiner Meinung
nach war es ein Bild aus einer anderen Welt, nichts
Dreidimensionales, ein letzter visionärer Eindruck von etwas,
das anderswo jedoch sehr real war.
Aber – er konnte den Kristall anfassen!
Kühl lag er in seiner Hand, war groß und schlank, von
zahllosen spiegelnden Flächen übersät.
Aber nicht der Mann, der hineinblickte und die Welt, die ihn
umgab, spiegelten sich darin, sondern es leuchtete etwas von
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