Macabros 125: Das Zauber-Pergament
erkennen, wohin sein
Körper sich begab.
Dieser tauchte in dem dunklen Vorhang unter und trat aus der
anderen Seite wieder hervor.
Dahinter dehnte sich eine große, Öde Erdhalle, die von
Wurzeln an Wänden und gewölbter Decke durchzogen war.
Es war eine Zwielichtzone, in der unzählige Körper
reglos wie Statuen in Reih und Glied an den Wänden standen.
Der kopflose Jim ging an ihnen vorüber.
Menschen aller Altersklassen und unterschiedlicher
Nationalitäten waren hier versammelt. Sie waren alle
kopflos.
Jims Körper bewegte sich wie ein Roboter.
Er wurde von einem fremden Willen, einer unsichtbaren Macht
gesteuert.
Im Gegensatz zu dem Ort, an dem sein Gesicht nun erschienen war,
lag die Reihe, der sich sein Körper näherte, auf der
rechten Seite und damit der Stelle seines Gesichts genau
gegenüber.
Jim stellte sich neben den letzten Kopflosen. Dort kam sein
Körper zur Ruhe.
Alles in dieser unterirdischen Baumoder Wurzelhöhle war
statisch.
Das einzige, das einer ständig fließenden Bewegung
unterlag, waren der Nebelvorhang und ein Schatten, der gewaltig und
dreidimensional in der Höhle vor ihm auf und ab pulsierte, als
würde dort ein riesiges, zusammengekauertes Wesen hocken und
atmen.
Der Schatten glitt lautlos und schnell näher.
Beim Näherkommen war zu erkennen, daß er die Form eines
gewaltigen Vogels hatte.
Die Schwingen entfalteten sich, der massige Kopf mit dem
kräftigen Schnabel zuckte nach vorn, und die riesigen Augen
glühten wie Kohlen… teuflisch und unheimlich.
Der Vogel war die Lieblingsgestalt der Dämonengöttin
Rha-Ta-N’my.
Sie war hier…
*
Danielle de Barteaulieé war ahnungslos. Sie erkannte nicht,
daß nun auch Jim verschwunden war.
Sie war ein Opfer dämonischer Trugbilder, ohne sie
durchschauen zu. können.
Die Sicherheit, die ihr vorgegaukelt wurde, war brüchig.
Sie war äußerst aufmerksam, weil sie wußte, was
auf dem Spiel stand.
Aber der Feind, den sie diesmal knallhart zu bekämpfen
gedachte, wußte auch, was für ihn auf dem Spiel stand. Und
er war nicht bereit, Gegnern das Feld zu überlassen oder sich
gar kampflos zu ergeben.
Genau das Gegenteil strebte die Kraft an, die sich in dem abseits
liegenden Wäldchen mehr und mehr manifestierte, und die nichts
dem Zufall überließ.
Die dämonische Kraft arbeitete an mehreren Fallen
gleichzeitig.
Rha-Ta-N’my wußte nur zu gut, daß der Gegner, den
sie vernichten wollte, nicht leicht zu besiegen war. Ihm kamen seine
Kenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit den Mächten der
Finsternis zugute.
Die Dämonengöttin trug ihren Angriff deshalb von
mehreren Seiten gleichzeitig vor.
Ihre Helfer auf der Erde waren alarmiert und warteten auf ihren
Einsatz.
Im Dunkeln einer Welt, in die nicht leicht ein Blick zu werfen
war, wurden geheime Fäden gesponnen.
Einbezogen wurde dabei auch eine Kraft, die Hellmark und seine
Getreuen noch kaum kannten.
Es handelte sich dabei um diesen Punkt in der Camargue, der durch
Traumerlebnisse stark beeinflußt worden war und von dem aus es
ein Tor in eine andere Dimension gab, in der sich Drudan aufgehalten
hatte.
Rha-Ta-N’my nutzte die Spuren der bösen Träume,
ließ sie neu erstehen, soweit sie sie beeinflussen konnte, und
sorgte gleichzeitig dafür, daß auch Danielle de
Barteaulieé noch weiter in das dämonische Hasardspiel
einbezogen wurde.
Ohne daß sie es merkte.
Danielle war der Meinung, daß alles unverändert
war.
Dies änderte sich, als sie auf ein Geräusch aufmerksam
wurde, das sich von der Seite näherte.
Auf der schmalen Straße jenseits des Waldes waren die fernen
Scheinwerfer eines herankommenden Fahrzeugs zu erkennen.
Ein zufällig vorbeifahrendes Auto, das weiter ins Hinterland
wollte, das war Danielles erster Gedanke. Doch den mußte sie
schnell revidieren.
Der Wagen verringerte sein Tempo, und dann wechselte auch die
Richtung der Scheinwerfer.
Sie glitten zwischen den Stämmen entlang wie bleiche
Geisterfinger, die die Bäume und Büsche betasteten.
Danielle hielt den Atem an.
Der Wagen hatte die Straße verlassen und näherte sich
nun auf einem schmalen Waldweg ihrer Position. – Der Weg wurde
schließlich zu schmal und war nur noch ein Pfad für
Spaziergänger, so daß der fremde Fahrer stehen bleiben
mußte.
Danielle lief los.
»Ihr bleibt hier zurück«, rief sie den vermeintlich
an ihren Plätzen befindlichen beiden jugendlichen Begleitern zu.
»Ich sehe mir den unerwarteten Besuch mal aus der Nähe
an.«
Leichtfüßig
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