Macabros Neu 01 - Der Leichenorden von Itaron
waren, dann war es die wohl fremdartigste Lebensform, der er jemals begegnet war.
Es blieb keine Zeit, weiter nachzudenken. Er musste jenen Ausgang suchen, von dem er nur hoffen konnte, dass er tatsächlich existierte. Womöglich lag dieser Ausgang sogar näher als vermutet. Er rief sich Al Nafuurs Worte in der Geisterhöhle auf Marlos in Erinnerung. Demnach führte der Weg nach Itaron nicht nur durch den Raum … sondern auch auf ganz spezielle Weise durch die Zeit. Nicht etwa in die Vergangenheit oder die Zukunft, sondern in einen Augenblick hinein.
Die Konsequenz daraus war offensichtlich. Demnach lag auch der Weg, den Björn nun suchte, eher in der Zeit als im Raum. Er, Björn Hellmark, gehörte nicht hierher, bildete einen Störfaktor. Der Grund dafür war ganz einfach. Als Mensch war er gewissen Einschränkungen unterworfen, die es ihm vielleicht unmöglich machten, den Ausgang zu finden. Die Lösung dafür hieß Macabros.
Er löste seinen Doppelkörper abermals auf und ließ ihn in noch größerer Entfernung wieder entstehen. Macabros konnte an Stellen in dieser seltsamen Umgebung suchen, die Björn auf normalem Wege nicht zu erreichen vermochte. Es musste etwas geben, in dem sich der Ausgang von der anderen Umgebung unterschied. Björn wusste nicht, wonach er Macabros suchen lassen sollte … und doch wurde sein Ätherkörper fündig.
Die unmittelbare Umgebung, in der sich Macabros befand, änderte sich. In den Farbschlieren entstanden Ballungen aus Grau. Im selben Augenblick, in dem Björn sie durch Macabros’ Augen erblickte, begriff er, dass diese grauen Wolken das Ziel waren, das er die ganze Zeit gesucht hatte. Er wusste nicht, woher die Erkenntnis kam. Sie war einfach da.
Er löste Macabros auf und ließ ihn unmittelbar neben sich entstehen. Ein Handkontakt reichte, und Macabros transportierte ihn in die Nähe des grauen Nebels.
Björn spürte augenblicklich, wie eine fremde, lähmende Kraft nach seinem Verstand griff.
Er erschrak. War es ein Fehler gewesen, Macabros zu folgen?
Er kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken. Jeder Gedanke fiel ihm auf einmal schwer. Björn wusste zwar noch, wo er war, aber nicht mehr, wann … Seine Gegenwart vermischte sich mit der Vergangenheit und der Zukunft. Er sah tausende von Bildern und Szenen – einige davon stammten offensichtlich aus seiner Kindheit, andere aus einer Zeit, die er nicht kannte … seiner Zukunft. Er sah sich selbst als alten Mann, der –
Dann stürzte er in das Grau.
Geistesgegenwärtig löste er noch Macabros auf, dann schlug er auch schon auf einem harten Felsen auf.
Sofort sprang er auf. Der feste Boden unter seinen Füßen verlieh ihm Zuversicht. Dies war eine Umgebung, in der er sich zurechtfand, die er kannte …
Oder doch nicht? Als er sich umblickte, war er auf einmal nicht mehr so sicher. Er befand sich in einer öden, grauen Wüstenlandschaft, die sich bis zum Horizont hinzog, an dem eine glutrote Sonne stand. Er erblickte vereinzelte Bäume, deren blattlose Stämme verkrüppelt in den Himmel ragten.
Etwas an diesen Bäumen erregte seine Aufmerksamkeit. Er kniff die Augen zusammen. Diese Äste waren nicht normal …
Da vernahm er einen Schrei.
Eine Frau hatte ihn ausgestoßen, die sich offenbar in höchster Todesnot befand.
3. Kapitel
Anna löste sich mühsam aus der Erstarrung. Das Blut war restlos im Boden versickert, als wäre es nie vergossen worden.
Sie zweifelte an ihrem Verstand. Hatte sie das riesige Skelettmonster und den Knochenmann im Umhang überhaupt gesehen? War da wirklich ein Mensch namens Alexander Wirell gewesen, der von den beiden Unheimlichen gefangen und weggeschleift worden war?
Kraftlos lief sie los, einfach ziellos irgendwohin auf dem breiten Weg, der sich zwischen den verkrüppelten Skelettbäumen entlangwand. Die Bäume! Die Tatsache, dass die Knochenäste existierten, bewiesen, dass Anna die letzten Minuten nicht nur geträumt hatte. Sie befand sich tatsächlich in dieser fremdartigen Welt, die nicht mit normalen Maßstäben und normaler Logik zu begreifen war. Was an diesem Ort vor sich ging, war zu fremdartig, als dass ein menschlicher Verstand es verstehen konnte.
Unablässig dachte sie an die Drohung des Knochenmannes. Man werde bald auch sie, Anna, holen … Dann stand ihr dasselbe Schicksal bevor wie Alexander Wirell. Das konnte nur bedeuten, dass Wirell wie auch sie selbst aus einem ganz bestimmten Grund entführt worden waren. Ihr Aufenthalt an diesem makabren Ort hatte einen
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