Macabros Neu 01 - Der Leichenorden von Itaron
zu einem musste der Ektoplasma-Dämon ja gut sein.
Die magische Vorgaukelung einer gepflegten Umgebung war eine sehr geschickte Vorkehrung, denn so musste sich Bornier um nichts anderes mehr kümmern als um seine Bilder. Früher – ja, früher, da hatte er noch essen müssen, und das Schloss in Ordnung halten … seit der Dämon in ihm war, hatte er all das nicht mehr nötig.
Was war es für ein wunderbarer und glorreicher Tag gewesen, als Ri-la’rh plötzlich aus dem ersten Sternenschloss-Bild aufgetaucht war! Damals hatte Bornier noch nicht geahnt, welch ein Versager dieser Ektoplasma-Dämon war. Ja, er hatte sogar Angst empfunden, und namenloses Entsetzen!
Der Maler musste erneut husten, als er sein eigenes Blut schluckte, das aus der verletzten Stelle im Zahnfleisch rann. Ihm schwindelte.
Vielleicht sollte er doch etwas essen … aber würde sein Magen das nach all den Monaten überhaupt vertragen? Bislang hatte Ri-la’rh ihn am Leben gehalten, nicht irgendwelche Lebensmittel. Wie würde es nun sein, da sich der Dämon nicht mehr in ihm befand?
Bornier verspürte ein bohrendes Hungergefühl. Seine Kehle war ausgedörrt wie pulvertrockener Wüstensand. Kein Wunder, denn er hatte seit Monaten keinen Tropfen mehr getrunken.
Doch er ignorierte den Durst und den Hunger. Es waren schwache, menschliche Triebe, auf die er nicht angewiesen war. Rha-Ta-N’my würde ihn versorgen, auch ohne Ri-la’rhs Gegenwart. Sie würde sich um ihren treuen Diener kümmern. Die Göttin stärkte ihn!
Dass sie vernichtet sein sollte, glaubte er nicht. Zwar hatte Ri-la’rh Andeutungen in diese Richtung gemacht, aber er hatte es nie konkret ausgesprochen. Und fühlte Bornier nicht ihre Kraft? Strömte sie nicht aus jedem seiner Bilder, erfüllte sie nicht das Schloss bis in den letzten Winkel?
Also war er ihr weitere Opfer schuldig! Sie verdiente es, ganz einfach weil sie sie war, weil sie existierte, die herrliche, die schreckliche Göttin der Dämonen …
Und wenn Ri-la’rh ihm nicht mehr zur Seite stand, dann handelte Bornier eben aus eigener Kraft. Er brauchte keinen schwächlichen Dämon an seiner Seite. Er konnte der Dämonengöttin allein am besten dienen.
Eine Welle der Kraftlosigkeit übermannte ihn. Er wankte, verlor das Gleichgewicht und stürzte mit der Schulter gegen die Wand des Korridors. Mühsam stützte er sich ab, fuhr sich mit der Hand über den Kopf …
… und hielt ein Büschel schlohweißer Haare in der Hand.
Achtlos schüttelte er sie ab und kam aus schierer Willensanstrengung wieder auf die Beine. Er ging zur nächsten Tür und klopfte. Dahinter wartete die zweite Frau, die für Rha-Ta-N’mys Zwecke nicht geeignet war.
Sekunden später wurde geöffnet.
»Herr Bornier!« Die samtweiche Stimme klang erschrocken. Nur das Gesicht der jungen Frau ragte aus dem schmalen Spalt der Tür. Der Rest des Körpers blieb verborgen. »Kann ich etwas für Sie tun?«
»Ich muss mit Ihnen sprechen«, krächzte er.
»Eine Sekunde … ich muss mir nur etwas anziehen! Ich rufe Sie gleich.«
Warum die junge Frau nackt oder nur in Unterwäsche im Zimmer herumspazierte, interessierte ihn nicht. Vielleicht hatte sie sich hingelegt, oder sie hatte eigentlich einen der anderen Gäste auf ein Techtelmechtel erwartet.
»Kommen Sie herein«, erfolgte endlich die Aufforderung.
Den Namen der jungen Frau hatte er vergessen, obwohl Bottlinger ihn sicher genannt hatte. Er spielte keine Rolle. Nur eins an ihr war wichtig: ihr Leben und ihr Blut, das er für Rha-Ta-N’my vergießen würde.
»Setzen Sie sich«, sagte seine Besucherin mit einem fürsorglichen Unterton. »Es geht Ihnen nicht gut, nicht wahr … Sie sehen sehr mitgenommen aus.«
»Sie haben Recht, mein Kind«, gab er zu und dachte nur, dass es ihm gleich viel besser gehen würde, wenn er der Göttin einen neuen Dienst erwiesen hatte. Er ließ sich auf dem nieder, was scheinbar ein einladender Sessel war, in Wirklichkeit jedoch einen alten, knarrigen Stuhl darstellte. Bornier wusste das, doch es war ihm gleichgültig. Er wunderte sich nicht einmal darüber, dass es sich sogar anfühlte wie ein bequemer Sessel – schwarze Magie machte eben alles möglich.
»Wie kann ich Ihnen helfen?«
Bornier hob die linke Hand und winkte sie zu sich. »Kommen Sie her, damit ich nicht so laut sprechen muss.«
Arglos gehorchte sie.
Die rechte Hand des Malers umklammerte in der Tasche seiner Weste den Griff des langen Küchenmessers, das er bei Christiane Wallbaum nicht
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