Macabros Neu 01 - Der Leichenorden von Itaron
etwas, das ich dir noch nicht erzählt habe, Björn«, sagte Anna Huber. Der Ton, in dem sie sprach, ließ Hellmark aufhorchen. Anna machte nicht den Eindruck, Smalltalk betreiben zu wollen. Sie hatte etwas auf dem Herzen.
»Ich weiß selbst nicht, warum ich es verschwiegen habe. Wahrscheinlich habe ich es schlicht vergessen. Es ist in dem ganzen Chaos untergegangen, das ich hinter mir habe …«
»Ja?« Die ganze Zeit über ließ Hellmarks Konzentration keine Sekunde lang nach. Zwar hatten sie die letzte Stunde friedlich zurücklegen können, doch er rechnete stets mit einem Angriff.
Anna Huber fuhr zögernd fort. »Als mich diese Ektoplasma-Gestalt angegriffen hat …«
»Im Schloss des Malers Bornier?«, vergewisserte sich Björn.
Sie nickte. »Dieses Monstrum hat mich verletzt. Und zwar schwer. Ich glaubte, sterben zu müssen. Zumindest hat es sehr stark geblutet. Aber als ich hier wieder zu mir kam – war die Wunde verschwunden.«
Björn fiel nichts ein, das er darauf erwidern konnte. Was sie schilderte, war mehr als ungewöhnlich. Alles in allem schien diese Dimension, ob es sich nun um Itaron handelte oder nicht, überaus gefährlich und von bösartigen, dämonischen Kreaturen besiedelt zu sein. Dazu passte überhaupt nicht, dass jemand beim Übergang geheilt werden sollte.
Je länger er darüber nachdachte, desto mehr setzte sich ein Gedanke in ihm fest.
Itaron wurde auch die ›Welt des Augenblicks‹ genannt, wie Al Nafuur ihm berichtet hatte.
Ein Augenblick … Hieß das für Anna, dass sie in einen Augenblick zurückversetzt worden war, als sie sich diese Verletzung noch nicht zugezogen hatte?
»Du sagst gar nichts, Björn. Glaubst du mir etwa nicht?«
»Ich glaube dir. Ich denke über das nach, was du gesagt hast.«
»Ich vermute, dass ich wegen des Leichenordens geheilt wurde.«
Björn blieb stehen. »Wie kommst du darauf?«
»Dieses lebende Skelett hat angekündigt, dass ich die nächste auf der Liste sei … dass es mich holen würde, wenn meine Zeit kommt. Weil der Leichenorden mich braucht. Wozu auch immer.« Sie schüttelte sich. »Also hat dieser verrückte Bornier mich wohl nur deshalb hierhergeschickt, damit ich dem Leichenorden …« Sie verzog angeekelt das Gesicht. »… zur Verfügung stehe.«
»Eine interessante Theorie.« Björn war erstaunt darüber, wie weit Anna dachte. Für jemanden, der zuvor noch nie mit magischen Gegebenheiten in Berührung gekommen war und sich demzufolge auch nicht mit deren Gesetzmäßigkeiten auskannte, war die Abgeklärtheit, mit der sie über ihre Situation nachdachte, erstaunlich. »Aber du erinnerst dich an nichts? Weißt nicht, wie oder wann genau du geheilt worden bist?«
Sie schüttelte den Kopf. »Eben war ich noch im Atelier des Malers … Alles war so entsetzlich … Ich hatte furchtbare Angst … Dann überschlugen sich die Ereignisse, und ich fand mich inmitten dieser Steinwüste wieder.«
Schweigend gingen sie weiter.
Die Felsen, zwischen denen immer wieder die Knochenbäume emporragten, schienen kein Ende nehmen zu wollen. Auf ein Lebewesen waren sie seit ihrem Aufbruch nicht gestoßen. Hatte es sie in eine völlig entvölkerte Dimension verschlagen, in der es nur die tödlichen Bäume und die Skelettmonster gab?
Eine grausige Vorstellung …
Andererseits hielt Björn daran fest, dass er sich in Itaron befand. Und dort musste es Leben geben – oder zumindest irgendetwas, das er bekämpfen oder verändern musste, um die Mission zu erfüllen, die Al Nafuur ihm aufgetragen hatte.
Diese Welt konnte schlicht riesig sein, sich über gewaltige Gebiete und ganze Kontinente erstrecken … Wer wusste das schon? Björn kannte nur einen winzigen Ausschnitt, war inzwischen erst einige Kilometer gewandert.
Er dachte an seine Heimat, die Erde – wenn ein Fremder dort mitten in der Sahara landen und den ganzen Planeten nach dieser Wüste beurteilen würde, käme er zu einem völlig falschen Ergebnis.
Inzwischen quälte beide großer Durst. Seit ihrer Ankunft hatten sie noch keinen Tropfen Wasser getrunken.
Björn dachte darüber nach, Macabros auf der Suche nach einem Fluss oder einer Quelle auszuschicken – doch wie sollte er das tun? Er konnte seinen Doppelkörper nicht einfach planlos irgendwo materialisieren lassen. Er benötigte eine genaue Vorstellung von seinem Zielort, musste diesen am besten sehen oder schon einmal dort gewesen sein.
Von anderen Bereichen dieser Dimension hatte er jedoch keinerlei Vorstellung.
Also blieb
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