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MacBest

Titel: MacBest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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beenden, weil seine verbundenen Hände zu sehr zitterten. »Ich nehme an, sie konfrontierte dich mit Visionen überirdischen Entzückens. Hat sie dir«, den Herzog schauderte –, »dunkle Reize und verbotene Freuden gezeigt, an die ein Normalsterblicher nicht einmal denken sollte? Hat sie dir dämonische Geheimnisse anvertraut, die einen Mann in die finsteren Tiefen seiner Begierden reißen?«
    Lord Felmet nahm Platz und fächelte sich mit einem Taschentuch kühle Luft zu.
    »Geht es dir nicht gut, Herr?« fragte der Feldwebel.
    »Wie? Oh, es ist alles in Ordnung mit mir. Könnte gar nicht besser sein.«
    »Aber dein Gesicht glüht regelrecht.«
    »Schweif nicht vom Thema ab, Mann!« erwiderte der Herzog scharf und atmete mehrmals tief durch, um sich zu beruhigen. »Gib es zu: Die Hexe bot dir hedonistische und unzüchtige Vergnügen an, die nur den Liebhabern der fleischlichen Künste bekannt sind. Habe ich recht?«
    Der Feldwebel stand stramm und blickte starr geradeaus.
    »Nein, Herr«, sagte er wie jemand, der sich ungeachtet aller Konsequenzen der Wahrheit stellte. »Sie bot mir ein Brötchen an.«
    »Ein Brötchen?«
    »Ja, Herr. Mit Rosinen drin.«
    Lord Felmet saß völlig reglos, während er den inneren Frieden wiederzufinden versuchte. Schließlich brachte er hervor: »Und deine Soldaten?«
    »Auch sie bekamen Rosinenbrötchen. Bis auf den jungen Roger, der streng Diät halten muß. Weil er gewisse Probleme hat.«
    Der Herzog lehnte sich langsam zurück und hob eine Hand vor die Augen. Ich bin geboren, um über die Ebenen zu herrschen, dachte er kummervoll. Dort ist alles flach. Dort gibt es ein anständigeres Wetter. Dort bestehen die Leute nicht aus Teig. Lieber Himmel, gleich erzählt mir der Bursche, mit welchen Problemen sich Roger auseinandersetzen muß.
    »Er aß einen Keks, Herr.«
    Lord Felmet sah aus dem Fenster und blickte zu den Bäumen hinüber. Zorn brannte in ihm, und zwar immer heißer. Aber während der zwanzigjährigen Ehe mit Lady Felmet hatte er nicht nur gelernt, die Gefühle unter Kontrolle zu halten, sondern auch die Instinkte. Chaos kochte hinter seiner Stirn, doch das Gesicht blieb ausdruckslos. Im seelischen schwarzen Ozean des Herzogs regte sich ein emotionales Etwas, für das er bisher nie Zeit gehabt hatte. Die Rückenflosse der Neugier tauchte auf.
    Fünfzig Jahre lang war Lord Felmet gut zurechtgekommen, ohne einen Anwendungsbereich für Neugier zu entdecken. Es handelte sich um eine Eigenschaft, die man bei Aristokraten nur selten förderte. Er fand Gewißheit weitaus besser. Jetzt glaubte er, einen Nutzen für Neugier zu erkennen.
    Der Feldwebel verharrte mitten im Zimmer und wirkte wie jemand, der auf einen Befehl wartete und bereit war, sich in Geduld zu fassen, bis ihn die Kontinentalverschiebung von seinem Posten verdrängte. Schon seit vielen Jahren stand er in den anspruchslosen Diensten der Könige von Lancre, und darüber konnte er nicht hinwegtäuschen. Der größte Teil seines Körpers hatte Haltung angenommen, aber der Bauch entspannte sich nach wie vor.
    Lord Felmets Blick fiel auf den Narren, der neben dem Thron auf seinem Stuhl saß. Die zusammengekauerte Gestalt hob verlegen den Kopf und ließ seine Glocken halbherzig läuten.
    Der Herzog rang sich zu einer Entscheidung durch. Wenn man Fortschritte erzielen wollte, so mußte man schwache Stellen finden. Er verdrängte den Gedanken daran, daß dazu auch die Nieren eines Königs am oberen Ende einer Treppe zählten, konzentrierte sich statt dessen darauf, einmal mehr die Sache in die Hand zu nehmen.
    In die Hand … Er hatte geschrubbt und geschrubbt, ohne Erfolg. Schließlich ging er ins Verlies, lieh sich eine Drahtbürste des Folterers aus und schrubbte erneut. Aber auch dabei stellte sich nicht die erhoffte Wirkung ein. Ganz im Gegenteil: Alles wurde noch schlimmer. Je mehr er schrubbte, desto mehr Blut floß. Der Herzog fürchtete allmählich, den Verstand zu verlieren.
    Er verjagte die Erinnerungen in einen fernen Winkel seines Bewußtseins und konzentrierte sich. Schwache Stelle. Ja. Der Narr sah wie eine schwache Stelle aus.
    »Du kannst gehen, Feldwebel.«
    »Herr«, sagte der Soldat und ging steifbeinig davon.
    »Narr?«
    »Meiner Treu, Herr …«, sagte der Hofnarr nervös und zupfte an einer Saite seiner verhaßten Mandoline.
    Der Herzog setzte sich auf den Thron.
    »Sprich nicht von Treue!« erwiderte er. »Das erinnert mich zu sehr an meine Frau.« Er seufzte. »Gib mir einen Rat,

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