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Machen Sie sich frei Herr Doktor!

Machen Sie sich frei Herr Doktor!

Titel: Machen Sie sich frei Herr Doktor! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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vermutlich bloß Fassade. Bei diesen schöpferischen Menschen wußte man nie, woran man war. Vielleicht hatten sie gar keine Gefühle. Sie malten die Gefühle fiktiver Personen, aber die Leinwand darunter war leer. »Wir sprachen eben darüber, wie froh wir sind, einen so bekannten Literaten bei uns zu haben.«
    Auberon sah ihn verblüfft an.
    »Ich hoffe, du wirst dein Publikum noch viele Jahre mit deinen Werken entzücken. Aber uns natürlich nicht ewig die Freude deiner Anwesenheit gönnen.« Der Dean schenkte ihm ein großes Glas voll. »Du hast ein erfülltes Leben. Weißt du übrigens, daß die meisten Selbstmorde im Frühling Vorkommen? Das statistische Amt hat das genau ermittelt. Jetzt im Sommer ist es völlig unpassend, Selbstmord zu begehen. Interessant, nicht?«
    »Etwas makaber.« Auberon nahm sein Glas.
    »Sehr wenige Gärtner und Beamte begehen Selbstmord. Kaum jemals ein Pfarrer. Dabei sollte man glauben, daß Pfarrer viel genauer wissen, was sie erwartet. Vielleicht eben deshalb. Die Rate für Schriftsteller kenne ich nicht.« Der Dean hielt inne. Er hatte das Gefühl, den Faden verloren zu haben. »Ich glaube, du solltest einen Psychiater konsultieren.«
    Auberon blickte ihn erstaunt an. »Ich? Warum, um Himmels willen?«
    »Weil... ach, es tut jedem gut, von Zeit zu Zeit einen Psychiater zu konsultieren.«
    »Nein, danke vielmals«, sagte Auberon entschieden.
    »Es wäre wirklich überaus einfach«, fuhr der Dean ermunternd fort, »der Psychiater von St. Swithin ist unser Nachbar. Dr. M’Turk.«
    »Ein Name, der nach Kipling klingt!« Auberon lachte. »Man kann direkt das Jammern der Dudelsäcke hören.« In seiner Phantasie sah er Dr. M’Turk mit flammend rotem Bart und einem wild karierten Schottenrock vor sich, nach Whisky riechend, mit Händen wie ein Holzfäller, einen Band Freud in seiner Felltasche; voll presbyterianischer Verachtung sah er auf Auberons kleine psychologische Schwächen herab. »Nein«, wiederholte Auberon.
    Der Dean stampfte mit dem Fuß auf. »Du mußt.«
    »Aber ich will keinen Psychiater konsultieren. Ich muß keinen Psychiater konsultieren. Ich nehme es dir außerordentlich übel, Lionel, daß du glaubst, ich hätte einen Psychiater nötig. Ich gebe zu, daß ich Samantha aus freien Stücken geheiratet habe, aber deshalb bin ich noch kein Irrer.«
    »Vater meint, du solltest Material für ein Buch sammeln«, sagte Faith ruhig.
    »Ach!« Er schnalzte mit den Fingern. »Jetzt verstehe ich. Natürlich! So etwas habe ich noch nie getan. >Das Ego und ich<, vielleicht kein schlechter Titel... Ja, das ist eine famose Idee. Könnte den Verleger zu einem ganz beträchtlichen Vorschuß veranlassen...«
    Sein Blick schweifte in eine vage Ferne, seine Phantasie arbeitete fieberhaft. Er sah die Buchausgabe, das Taschenbuch, die etwas reicher ausgestattete amerikanische Ausgabe auf allen Kaffeetischen des Mittelwestens, den Vertrag für die amerikanischen Taschenbuchrechte, die Verfilmung, die Dramatisierung (Rechte für Bühnen- und Amateuraufführungen), die Musical-Version des Stückes nach dem Film, nach dem Buch, die Fernsehserie (Wiederholungen zu herabgesetzten Tantiemen), die Anthologie-Rechte, Nachdrucksrechte in Australien, die Übersetzungsrechte einschließlich einer kroatischen und einer serbischen Ausgabe für Jugoslawien...
    »Eine tolle Idee! Wann kann ich diesen schottischen Hirnbehandler sehen?«
    »Ich werde ihn gleich anrufen«, sagte der Dean.
    Er kehrte zurück und teilte mit, daß Dr. M’Turk Zeit habe und Auberon vor dem Abendessen eine halbe Stunde sehen könne. Zwei Minuten später läutete der Schriftsteller an der Tür des rechten Nachbarhauses in der Lazar Row. Die Tür wurde sofort von einem schlanken weiblichen Wesen mit ovalem Gesicht und großen Augen geöffnet, das einen langen purpurnen Kaftan, Goldsandalen und einen Gürtel aus nußgroßen Holzkugeln trug. Ihr aschblondes Haar hing weit über die Schultern herab, die Ponyfransen über der Stirn wurden von einem grünschillernden Band gehalten. Sie hatte eine blasse glatte Haut und konnte ebensogut achtzehn wie achtunddreißig sein.
    »Dr. M’Turk, bitte«, sagte Auberon und fühlte sich etwas ängstlich.
    »Ja.«
    »Ich bin mit Dr. M’Turk verabredet.«
    Sie öffnete die Tür weit. »Bitte, kommen Sie herein«, murmelte sie.
    Auberon zog die Brauen hoch. »Das heißt, Sie -?« Er ging rasch hinein.
    Sie nahm seine Hand. »Hier herein«, kommandierte sie.
    Sie betraten das Wohnzimmer. Es war

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