Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)
Häscher nach Lucca, die den jungen Helden gefangen nehmen und töten sollen. Aber nur der erste Teil dieses Plans gelingt. Das Volk von Lucca befreit sein Idol in letzter Minute aus dem Kerker. Mit der Gunst der Menge vertreibt Castruccio seinen alten Mentor Uguccione und wird militärischer Oberbefehlshaber von Lucca, für das er zahlreiche neue Burgen und Gebiete erobert. Danach ist es Zeit für den großen Coup:
Jetzt schien es Castruccio an der Zeit, sich zum Fürsten zu machen. Und mithilfe von Pazzino dal Poggio, Puccinello dal Portico, Francesco Boccansacchi und Cecco Guinigi, die damals großen Einfluss in Lucca hatten und von ihm bestochen worden waren, schwang er sich zum Herrn auf und wurde durch Volksbeschluss feierlich zum Fürsten gewählt.[ 88 ]
In einem korrupten Staat muss man sich der Korruption bedienen, um die Macht zu gewinnen, so lautete eine wichtige Lehre der Biographie. Doch Parteibildung und Bestechung sind nur ein Hilfsmittel, um dem Verdienst auf die Sprünge zu helfen. Castruccio hat die Macht verdient, denn er hat sich durch seine Eroberungen wie ein altrömischer Staatsmann um den Staat verdient gemacht. Dadurch unterscheidet er sich von den Medici, die vor allem dadurch zur Herrschaft gelangt sind, dass sie sich ihre Anhänger durch Schenkungen und Kredite gekauft haben. Castruccio dagegen ist auf altrömische Weise nach oben und auf florentinische Weise an die Macht gelangt.
Die florentinische Methode ist umso verzeihlicher, als sich der neue Fürst so verhält, wie es Machiavelli zweihundert Jahre später in seinem Regelbuch vorschreibt. Er ruft seine Untertanen zu den Waffen und bringt ihnen Disziplin bei. Danach lockt er seine Gegner mit List und Tücke in die Falle und tötet nicht nur die Rebellen, sondern auch die selbsternannten Vermittler und Friedensstifter. So zeigt sich der Herr von Lucca als Löwe und Fuchs, als Cesare Borgia und Niccolò Machiavelli zugleich. Analogien Castruccios zum Leben seines «Biographen» sind unübersehbar. Beide sind durch ihre Geburt nicht begünstigt, wobei es Machiavelli sogar noch schwerer traf: Er trug an einem schlechten Namen schwer, Castracani war «nur» ein Unbekannter. Zudem haben beide den richtigen politischen Ehrgeiz. Castruccio Castracani ist vorbildlich, weil ihm die Herrschaft über Lucca und das kurz darauf gewonnene Pisa nicht genügt: Wer seine Macht dauerhaft festigen will, muss expandieren! Zu diesem Zweck verbündet sich Castruccio mit «Federico di Baviera», dem deutschen König Ludwig dem Bayern, der nach der Kaiserkrone strebt. Als nächstes gewinnt er Pistoia, wo er die Kämpfe der rivalisierenden Familien für seine Zwecke ausnützt und das Volk durch Schuldenerlass sowie andere Wohltaten für sich einnimmt. Selbst das zerstrittene Rom bringt er anlässlich der Kaiserkrönung Ludwigs zur Räson und lässt sich bei dieser Gelegenheit als von Gott gesandter Friedensstifter verherrlichen. Danach zieht er abermals gegen Florenz, dessen überlegene Truppen er durch List und Hinterhalt vernichtend schlägt. Diesmal bleiben laut Machiavelli sage und schreibe 20.231 Florentiner gefallen auf dem Schlachtfeld zurück, Castruccio büßt hingegen nur 1570 Mann ein.
Auf den Triumph des Herrn von Lucca folgt der jähe Fall:
Doch das Glück, Feindin seines Ruhmes, nahm ihm das Leben, das es ihm eigentlich hätte geben sollen, und brachte die Pläne zum Stillstand, die er seit langem erwogen hatte und an deren Umsetzung ihn nur der Tod hindern konnte.[ 89 ]
Der siegreiche Feldherr erkältet sich während der Schlacht und stirbt kurz darauf am Fieber. In der Rede, die er auf dem Totenbett an seinen Ziehsohn Paolo Guinigi hält, spart er nicht mit Vorwürfen an Fortuna und an sich selbst:
Wenn ich geglaubt hätte, mein Sohn, dass das Glück mich auf dem halben Weg zum Ruhm, den ich mir mit meinen vielen glücklichen Erfolgen versprochen hatte, fällen wollte, hätte ich mich weniger abgemüht und dir einen kleineren Staat, aber auch weniger Feinde und weniger Neid hinterlassen.[ 90 ]
So aber sieht sich sein Erbe den Rachegelüsten der Florentiner ausgesetzt, die Pistoia zurückerobern wollen und ihre Fühler in Richtung Pisa ausstrecken. Sterbend klagt Castruccio Fortuna an, der auch der klügste Fürst schutzlos ausgeliefert ist:
Doch das Glück, das Schiedsrichterin über alle menschlichen Dinge sein will, hat mir nicht genügend Urteilsvermögen gegeben, um seinen Anschlag rechtzeitig zu erkennen, und nicht genügend Zeit, um
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