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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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genommen. Der Papst stand dem Sieger jetzt schutzlos gegenüber. Würde sich dieser rächen? In Rom ging die Angst um. Doch Angst hatte Vettori fraglos nicht nur wegen der angespannten politischen Lage. Ihm dürfte auch die Brisanz von Machiavellis Istorie Fiorentine, wörtlich: der florentinischen Geschichten, Sorgen bereitet haben.
    Dass sich der Text, den Machiavelli ablieferte, von den üblichen Geschichtswerken seiner Zeitgenossen abhob, betonte er selbst in seiner Widmung an Clemens VII. Zugleich versuchte er, diese Abweichung in einem für den Papst positiven Licht erscheinen zu lassen:
Und da mir Eure Heiligkeit ausdrücklich befohlen hat, die Taten Eurer Vorfahren so zu beschreiben, dass für jedermann ersichtlich wird, wie sehr ich jeglicher Schmeichelei abgeneigt bin (denn so, wie Euch echtes Lob gefällt, so missfällt Euch das erheuchelte und erfundene Lob), so fürchte ich, dass Ihr bei der Beschreibung von Giovannis Güte, Cosimos Klugheit, Pieros Menschlichkeit und Lorenzos Großartigkeit und Klugheit den Eindruck gewinnen könntet, dass ich Eure Befehle missachtet habe.[ 9 ]
    Das war eine originelle Strategie: Machiavelli erklärte sich selbst der Schmeichelei für verdächtig und sprach sich im selben Atemzug von diesem Verdacht frei. Die Medici waren so groß, dass ihnen selbst der unvoreingenommenste Historiker Bewunderung für ihre vorzüglichen Eigenschaften zollen muss! Würde sich der belesene und literarisch beschlagene Clemens VII. dadurch täuschen lassen?
    Stellen, die dem Papst zumindest bei oberflächlicher Lektüre gefallen mussten, waren in Machiavellis Geschichte von Florenz tatsächlich vorhanden:
Cosimo war unter allen Männern, die jemals Florenz oder irgendeine andere Stadt ohne eigene Waffengewalt beherrscht haben, der angesehenste und einflussreichste. Denn er übertraf alle seine Zeitgenossen nicht nur an Autorität und Reichtum, sondern auch an Großzügigkeit und Klugheit. Denn unter allen anderen Qualitäten, die ihn zum Fürsten in seiner Heimat machten, stach diese Freigebigkeit hervor, die ihn zusammen mit der Großartigkeit vor allen anderen Menschen auszeichnete. Wie großzügig er wirklich gewesen war, zeigte sich erst einige Zeit nach seinem Tod, als sein Sohn Piero seine Hinterlassenschaft überprüfte. Denn es gab keinen Bürger von einiger Bedeutung, dem Cosimo nicht viel Geld geliehen hätte.[ 10 ]
    Dieser Nachruf auf Cosimo den Älteren, den Begründer der Medici-Herrschaft, las sich wie eine Lobeshymne auf den verstorbenen Vater des Vaterlandes. Doch konnte man diese Passage auch anders auslegen. Cosimo war nicht nur großzügig und klug, sondern setzte seine Großzügigkeit auch klug ein. Mit seinem unerschöpflichen Reichtum kaufte er sich Florenz und seine einflussreichen Bürger. Durch das Geld, das er ihnen lieh und danach zurückzufordern vergaß, machte er sie von sich abhängig, denn für diese Wohltaten schuldeten sie ihm Gegenleistungen. Diese durften sie in den Ämtern erbringen, die Cosimo ihnen verschaffte. So konnte er sich selbst als einfacher Bürger unter Bürgern präsentieren und die Republik doch nach Belieben lenken: als Fürst in seiner Heimat, wie ihn Machiavelli nennt. Cosimo war der Pate von Florenz, der seine «Mitbürger» Republik spielen ließ, doch in Wirklichkeit den Staat beherrschte. Als ein Genie der Propaganda finanzierte er aus seinen nie versiegenden Geldquellen zahlreiche kirchliche Bauten und wohltätige Einrichtungen. Sie vermittelten den Florentinern die immergleiche Botschaft: Die Medici sind Florenz, sorgen für Florenz und führen Florenz herrlichen Zeiten entgegen.
    Die Virtuosität, mit der sich Cosimo de’ Medici des schönen Scheins bediente, war nicht die einzige Qualität, die er mit Machiavellis vollendetem Fürsten teilte:
An Kenntnis fürstlicher und republikanischer Staaten kam ihm zu seiner Zeit niemand gleich. Daher kam es, dass er durch so viele Schwankungen des Glücks, in einer so unruhigen Stadt mit so unbeständigen Bürgern wie Florenz 31 Jahre lang die Macht behielt. Überaus klug, wie er war, erkannte er Probleme schon von Weitem und ließ sie gar nicht erst aufkommen, oder aber er traf solche Vorsorge, dass sie ihm trotz aller Zuspitzung nicht schaden konnten. Auf diese Weise zwang er nicht nur den republikanischen Ehrgeiz zu Hause in die Knie, sondern besiegte auch den Ehrgeiz vieler Fürsten mit so viel Glück und Klugheit, dass sich alle diejenigen, die sich mit ihm und seiner Vaterstadt

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