Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
Vom Netzwerk:
seine Vorhersagen nicht von Gott selbst kämen … Und die Predigt, die er daraufhin bei sich zu Hause (= in San Marco) hielt, begann er mit wahrhaft kühnen Worten; wie er fortfuhr, war nicht weniger staunenswert. Dabei bekundete er Angst in eigener Sache, fürchtete, dass ihm die neue Stadtregierung schaden könnte, und ging zugleich davon aus, dass bei seinem Sturz viele Bürger mit ihm untergehen würden. Und so begann er damit, ein grausiges Schreckensszenario auszumalen … Dabei stellte er seine Gefolgsleute als beste Bürger, seine Gegner hingegen als verruchte Schurken dar und sagte auch sonst mancherlei Dinge, die die Partei seiner Gegner schwächen und die eigene Partei stärken sollten.[ 11 ]
    Um sich selbst zu rechtfertigen und seine Feinde zu diskreditieren, beschwor Savonarola, wie Machiavelli berichtet, die Schrecken der Endzeit herauf: Stürzt ihr mich, kommt das Böse an die Macht. Ich verheiße euch Glückseligkeit, ohne mich fallt ihr in Zwietracht zurück und werdet einem blutrünstigen Tyrannen den Weg bereiten, der eure Stadt und euer Land verwüsten wird. Ja, der Frate schreckt nicht einmal davor zurück, sich selbst mit Mose zu vergleichen, der das Volk Israel aus der ägyptischen Knechtschaft befreite und zum Gelobten Land führte. Für Machiavelli war damit das Maß voll. Savonarola, der Florenz einigen wollte, war selbst ein Parteiführer, der Florenz tiefer denn je spaltete. Sein Schlussurteil lautete: «Und so hängte er sein Mäntelchen nach dem Wind und verbarg seine Lügen.»[ 12 ]
    Was angeblich von Gott kommt, wird als Propaganda entlarvt. Auch wenn Machiavelli dieses Verdammungsurteil danach der überlegenen Einschätzung des Briefempfängers anheimstellte, war der Fall für ihn klar: Religion ist zum Herrschaftsmittel in den falschen Händen geworden. Fünfzehn Jahre später lautet sein Schlusswort über Savonarola: Unbewaffnete Propheten müssen untergehen, da sie das Volk nicht zum Glauben zwingen können.
    Im Gegensatz zu Savonarola war die Kirche mächtig. Man musste sich mit Kirchenfürsten gut stellen, um seine legitimen Interessen durchzusetzen. Darum ging es in dem Schreiben, das Machiavelli am 2. Dezember 1497 an den Kardinal Giovanni Lopez richtete. Dieser erste erhaltene Brief Machiavellis zeigt ihn in einer ganz anderen Rolle:
Alles, was die Menschen in dieser Welt besitzen, erhalten sie erfahrungsgemäß von zwei Arten von Spendern: zum einen von Gott, der alles gerecht verteilt; zum anderen von ihren Eltern durch Erbschaft, durch Schenkung von Freunden oder zur weiteren Gewinnvermehrung geliehen, so wie es Kaufleute mit ihren treuen Dienern halten. Und das, was man besitzt, ist umso mehr wert, je edler der Spender ist, von dem es abhängt. Da Ihre Durchlaucht uns durch einen päpstlichen Aufhebungsakt von den Abgaben befreit hat, die durch unsere Vorfahren auf unserem Gut in Fagna lasteten, hat sie uns, ihren unterwürfigsten Söhnen, bei diesem Anlass ihre Menschlichkeit, ihre Freigebigkeit und ihr Mitleid erwiesen. An uns aber ist es zu zeigen, dass diese Besitzung jetzt von einem viel edleren Spender als zuvor abhängt.[ 13 ]
    Das war höfische Schmeichelei reinsten Wassers, mit dem Hinweis auf Gott und die himmlische Gerechtigkeit zudem geschickt auf den Empfänger abgestimmt. Über alle Strategien der Überredung hinaus scheint in diesem Schreiben viel von der Selbsteinschätzung des Verfassers und seiner Familie durch:
Und wahrlich, nichts ist Ihrer Durchlaucht würdiger, als in aller Machtvollkommenheit denen etwas zu schenken, die in der Ehre und im Nutzen dieser Besitzung ihre Rettung suchen und sich zudem in Sachen Adel und menschlicher Qualitäten denen, die ihnen diese Güter mit aller Macht (nicht zuletzt mit Berufung auf Ihre Durchlaucht) entreißen wollen, keineswegs unterlegen fühlen. Und wer unsere Familie mit den Pazzi unvoreingenommen vergleicht, wird uns zumindest in Sachen Großherzigkeit und Seelenstärke weit überlegen finden.[ 14 ]
    Das waren starke Worte in einer Situation extremer Schwäche. Die Pazzi beanspruchten das Landgut, das dem Familienzweig Bernardo Machiavellis als eines der letzten verblieben war. Sein Sohn kämpfte daher um das wirtschaftliche und soziale Überleben, was der Brief auch keineswegs verschweigt. Dazu brauchte er die Hilfe des einflussreichen Kardinals. Trotzdem konnte er es nicht lassen, darauf hinzuweisen, dass es eigentlich ganz anders sein müsste, wenn es auf der Welt gerecht zuginge: Die Familie Machiavelli

Weitere Kostenlose Bücher