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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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kennt![ 16 ]
    Und hört auf Machiavelli, der diese Zukunft vorhersagen kann:
Wenn Klugheit und Vorsicht dazu führen,
das Übel zu erkennen und ihm abzuhelfen,
dann wäre dem Himmel so viel Macht genommen.[ 17 ]
    Was sich zu Beginn christlich ausnimmt, färbt sich im Verlauf der Geschichtserzählung immer heidnischer ein: Im Himmel herrscht die Göttin Fortuna, doch nicht unumschränkt. Kluge und planvolle Politik kann ihr das Handwerk legen. Worin sie im Jahre 1510 besteht, diese Antwort bleibt das unvollendete Poem nicht schuldig: Als einziger politischer Akteur auf der italienischen Bühne erscheint der französische König in einem positiven Licht.
    Schon bald nach Machiavellis Rückkehr zeigte sich, dass alle Hoffnungen auf eine Beilegung des Streits zwischen Papst und König, womöglich sogar durch florentinische Vermittlung, illusorisch waren. Im Oktober 1510 exkommunizierte Julius II. die französischen Truppenführer in Italien. Zu diesem Zeitpunkt hielt er sich in Bologna auf, um den nördlichen Kirchenstaat zu sichern und die weiteren Operationen von dort aus zu koordinieren. Kurz darauf erkrankte der Papst schwer. Astrologen und Ärzte sahen beziehungsweise sagten seinen baldigen Tod voraus. Doch sie täuschten sich. Der willensstarke Greis erholte sich und stürzte sich umso wütender in den Kampf. Hätte Julius II. in Bologna das Zeitliche gesegnet, so wären die Hauptwerke Niccolò Machiavellis höchstwahrscheinlich nie entstanden.
    So aber spitzte sich der Konflikt unaufhaltsam zu. Ludwig XII. ließ seine Truppen gegen Bologna marschieren, wofür ihn der Papst in einem Schreiben an die christlichen Fürsten Europas als Feind Christi und der Kirche brandmarkte. Kaum genesen, rüstete der Pontifex maximus zu einem eigenen Feldzug gegen die Festung Mirandola bei Ferrara, dessen Herzog Alfonso auf der Seite Frankreichs stand. Zum Erstaunen seiner Umgebung zog er Anfang Januar 1511 bei Eis und Schnee an der Spitze seiner Armee nach Norden, übernachtete im Harnisch des Kriegers am Lagerfeuer und kletterte als einer der ersten durch eine Mauerbresche in den eroberten Ort. Doch Kanonen waren nicht seine einzigen Waffen. Im Februar ernannte Julius II. gleich acht neue Kardinäle auf einen Schlag. Sie waren der politische Ersatz für fünf Purpurträger, die kurz zuvor auf die Seite des französischen Königs getreten waren. Doch der weitere Feldzug gegen Ferrara schlug fehl. Der Papst musste sich zurückziehen, die Franzosen rückten vor. Am 23. Mai 1511 besetzten sie Bologna; Giovanni Bentivoglio kehrte zurück und ließ die Bronzestatue des Papstes einschmelzen, die Michelangelo fünf Jahre zuvor als dessen Triumphzeichen gegossen hatte. Kurz darauf konnten die Bolognesen an den öffentlichen Anschlagplätzen Plakate lesen, die die Einberufung eines Konzils zum 1. September 1511 nach Pisa verkündeten.
    Ludwig XII. hatte seine vermeintliche Trumpfkarte ausgespielt. In seinem Auftrag luden neun Kardinäle die Fürsten Europas ein, die allgemeine Kirchenversammlung in Pisa zu unterstützen, und forderten den hohen Klerus auf, diese zu besuchen. Dabei beriefen sie sich auf das Konzil von Konstanz (1414–1418), das die Päpste zur regelmäßigen Abhaltung von Konzilien verpflichtet hatte, denen sie unterstellt waren und Rechenschaft schuldeten. Allerdings hatte schon Pius II. (1458–1464) diese Machtverhältnisse wieder umgekehrt und die unumschränkte Hoheit der Päpste über die Kirche verkündet. Doch war die Erinnerung daran, dass in Konstanz drei Päpste abdanken mussten und das Konzil ein neues Oberhaupt der Kirche wählte, nicht erloschen. Geschickt war der Schachzug des französischen Königs auch deshalb, weil führende humanistische Gelehrte und verschiedene Erneuerungsbewegungen innerhalb der Kirche seit langem ein Reform-Konzil forderten, das die vielfach beklagten Missstände im Klerus und in der Seelsorge abstellen sollte. Ludwig XII. durfte daher mit positiver Resonanz in der europäischen Öffentlichkeit rechnen. Für einsichtige Beobachter war allerdings leicht zu durchschauen, dass die Forderung nach einer Kirchenreform ausschließlich als Vorwand für politische Manöver diente.
    Julius II. wurde dadurch zum Äußersten getrieben. Seine Wahl war, wie Insider wussten, durch Bestechung erkauft, also anfechtbar. Zudem hatte der Feldzug gegen Mirandola seinen Ruf schwer beschädigt: Der Stellvertreter Christi im blutbefleckten Panzer war ein wirkungsvolles Propaganda-Motiv der

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