Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
abgelöst. Das gelbe Wasser floss in ruckartigen Stößen heraus, als ob im Innern jemandem ein Pickel ausgedrückt würde. Unmittelbar an der Grenze zwischen Asphalt und Sand kreuzte eine große Schar räuberischer, rötlicher Insekten unseren Weg. Jedes so groß wie eine Männerzehe. Brigitta kreischte laut auf.
    Die Bucht war schmal und seicht. Es war so wenig Wasser darin, dass es wirkte, als hätte man sie ausgegossen und vergessen trocken zu wischen. An manchen Stellen ragten huckelige Inselchen heraus. Außerdem sah man die wie altmodische Schlabberunterhosen gestreiften Segel von Dschunken. Die Palmen erinnerten an mit Gelenken versehene Phalli, die man mit dem Schamhügel nach oben in den Sand geschlagen hatte. Links am Ende des Strandes war ein Betonpier zu sehen. Hinter ihm schaute unbewegt ein Riesenrad hervor.
    Brigitta war braun gebrannt und unglaublich langbeinig. Sie trug einen einteiligen Badeanzug – schwarz, passend zu ihren gelockten Haaren. Haben Sie bemerkt, dass bei einem Kater der Sex zu einem äußerst drängenden Problem wird? Man möchte – na, lassen wir das. Jedenfalls möchte man nicht ins Wasser steigen. Ich schlenderte zu einer vom Sand verschütteten Liege. Sie erwies sich als schmal und unbequem. Mit europäischen Maßen hatte man hier nicht gerechnet.
    Es war still und ruhig. Die Sonne dachte nicht mehr daran, mich bei lebendigem Leibe zu rösten, und begnügte sich mit leicht durchgekochtem Fleisch. Der Wind raunte den unbekannten Pflanzen Zoten zu. Die spreizten ihre klettigen Schlappohren. Man hörte, wie hinter uns Volleyball gespielt wurde. Mehrmals kamen fliegende Händler auf Fahrrädern zu mir gerollt. Sie boten mir Limonade oder eine erfrischende Mango zum Kauf an. Ich lauschte auf meine Gefühle und wählte eine Dose zischender, schäumender Cola. Mein Magen jaulte kläglich auf.
    Oder sollte ich doch ein Bad nehmen?
    Die Speedo-Badehose, die ich trug, hatte mir seinerzeit meine Frau gekauft. Gleich nach der Hochzeit waren wir in den Süden gefahren, nach Gagry. Wir amüsierten uns, lagen in der Sonne, tranken Wein. Vielleicht war es schon damals zu viel Wein. Am Strand konnte man ihn sich abfüllen lassen, so dass ich es vorzog, mich in Einsamkeit zu sonnen. Einmal hatte ich die Menge falsch eingeschätzt und schlief direkt im Sand ein.
    Als ich aufwachte, war es schon Nacht. Über mir stand ein hellhaariges Mädchen in einem sackartig weiten Männermantel. »Willst du Tscheburaschka sehen?«
    »Tscheburaschka?«
    Das Mädchen riss den Mantel weit auf. Sie trug kein Bikini-Oberteil. Es erinnerte an das schlappohrige kleine Fabelwesen. Dann ging sie fort, und ich blickte ihr erstaunt hinterher. Einen Augenblick später umringten mich schwarze, böse aussehende Einheimische. Die Vorstellung war nicht kostenlos gewesen. Ob ich bitte mein gesamtes Geld und alle Wertsachen abliefern wolle?
    Es waren mehr als zehn Tscheburaschka-Verkäufer. Unter dem Schuh des ersten konnte ich mich gerade noch wegrollen. Aber aufstehen ließ man mich schon nicht mehr. Eine gebrochene Rippe, die linke Seite des Gesichts in eine scharlachrote Masse verwandelt. Die restlichen Flitterwochen schluchzte meine Frau und wechselte mir die kalten Kompressen ...
    Wie viele Jahre war das her?
    Brigitta stieg aus dem Wasser und legte sich neben mich. Kräftige Hinterbacken, große Brüste, schmale Schultern, ein schöner Hals. Nur ihre Ponyfrisur sah idiotisch aus. In den Ohren und an den Fingern trug sie auffällig großen Silberschmuck. Am Knöchel war eine ganz kleine Tätowierung zu sehen.
    Ich überlegte, worüber wir sprechen könnten.
    »Ein schönes Tattoo hast du.«
    »Du aber auch.«
    »Danke.«
    Wir schwiegen.
    »Ist das in deinem Land teuer?«
    »Das haben mir Freunde eintätowiert. Falls es kein Geheimnis ist, was ist mit deinen Armen?«
    »Suicide pollution.«
    »Das habe ich mir gedacht. Liebeskummer?«
    »Nein, Heroin. Ich hab früher Drogen genommen. Sehr viel Heroin ... Dann war ich in der Therapie. Vor drei Jahren.« Wir schwiegen wieder.
    »Bei mir zu Hause arbeite ich mit Kindern. Gleich nach der Entziehungskur habe ich angefangen, für den religiösen Fond zu arbeiten, der meine Therapie bezahlt hat. Ich habe eine Kindergruppe, Drei – bis Fünfjährige. Ich bringe ihnen das Malen bei. Lese Bücher vor. Du verstehst, ja? Das sind Kinder, die keine Eltern haben.«
    »Bekommst du dafür Geld?«
    »Sehr wenig. Dafür haben sie mir aber die Fahrt zum Kongress bezahlt. Obwohl ich selber

Weitere Kostenlose Bücher