Macht Musik schlau?
bzw. teilweise 18 Aufgaben zum Einsatz kamen. Die Kontrollbedingungen waren entweder völlig identisch oder etwas verändert, um mögliche Schlussfolgerungen aus den experimentellen Befunden zu erweitern. Insofern kam neben der Ruhe- und Entspannungsbedingung gegebenenfalls noch eine weitere Bedingung zur Anwendung, mit der der Einfluss des passiven Hörens einer anderen Musikvariante auf die kognitiven Leistungen überprüft werden sollte. Die Forscher wählten Musikstücke, die sie als «minimalistische Musikstücke» bezeichneten, also Musik, welche in ihrer Struktur und Komplexität wesentlich einfacher gestaltet war, als die Mozart-Sonate, die in der experimentellen Bedingung verwendet wurde (z.B, Music with Changing Part von Philip Glass oder Entspannungsmusik wie The Shining Ones von Phil Thornton). Eine Abweichung gegenüber dem Originalexperiment ergab sich an der Appalachian State University. Dort wurden die Testpersonen zunächst mit dem Test für räumliche Funktionen getestet. Nach 48 Stunden hörten sie passiv die Mozart-Sonate und absolvierten danach wieder den Test für räumliche Funktionen.
Insgesamt ergab diese Multicenter-Studie, dass das passive Hören der Mozart-Sonate keinen statistisch signifikanten leistungssteigernden Einfluss auf die räumliche Aufgabe hatte. Berechnet man den mittleren normierten Unterschied über alle drei Studien zwischen den kognitiven Leistungen nach der Mozart- und der Ruhebedingung, ergibt sich ein normiertes Effektmaà von d = 0,003, eigentlich ein vernachlässigbarer, besser sogar ein nicht existierender Unterschied. Insofern kann man verstehen, wenn die Autoren ihre Arbeit mit dem Satz schlieÃen:
«A requiem may therefore be in order.»
(Ein Requiem wäre deshalb angezeigt.)
Die oben dargestellten Replikationsversuche waren insgesamt nicht besonders erfolgreich. Allerdings kann man ihnen vorhalten, dass essich hierbei ausschlieÃlich um Arbeiten handelt, die in wissenschaftlichen Zeitschriften mit einem Peer-Review-System veröffentlicht worden sind. Im Prinzip ist dies ein allgemein übliches Unterfangen und demzufolge löblich, jedoch kann damit nicht ausgeschlossen werden, dass diese Auswahl selektiv ist. So mag es sein, dass z.B. Doktor- oder Masterarbeiten geschrieben worden sind, die nicht zu Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften verarbeitet worden sind. Dies ist relativ häufig, denn nicht jede Qualifikationsarbeit, die an Hochschulen angefertigt wird, wird von den Studierenden oder den anleitenden Hochschullehrern oder Wissenschaftlern zu einer Publikation weiterverarbeitet. Dies mag viele Gründe haben, die häufigsten sind Zeitmangel, Verlust des Interesses an der Fragestellung, oder die Ergebnisse entsprechen nicht den erwarteten Befunden. Ein anderer schwerwiegender Einwand gegen die oben erwähnte Metaanalyse ist, dass nicht alle Publikationen zu diesem Thema erfasst wurden. In der Tat hat Chabris in seiner Metaanalyse lediglich jene Arbeiten aufgenommen, die in der Literaturdatenbank «PubMed» enthalten sind. Dies ist zwar eine sehr wichtige, aus der Perspektive der Neurowissenschaften und Medizin sicherlich die wichtigste, aber es existieren noch eine Reihe von anderen Literaturdatenbanken, die z.B. mehr pädagogische wissenschaftliche Literatur enthält. Diesen Mängeln entgegenwirkend hat die amerikanische Wissenschaftlerin Lois Hetland (Hetland, 2000a) eine andere Variante der Metaanalyse durchgeführt, in der sie gezielt auch nach nicht publizierten Studien zum Mozart-Effekt gesucht hat. In diese Suche schloss sie ganz bewusst nicht veröffentliche Dissertationen, Masterarbeiten, Diplomarbeiten und nicht publizierte Kongressbeiträge mit ein. Auf diese Art und Weise konnte sie 36 Arbeiten identifizieren, in denen insgesamt 2465 gesunde Versuchspersonen untersucht worden sind. In diesen 36 Arbeiten kamen verschiedene Formen von räumlichen Leistungstests zur Anwendung, also auch Tests, die nicht völlig identisch mit denen waren, die von Rauscher und Kollegen verwendet wurden. 31 Arbeiten (mit insgesamt 2089 Versuchspersonen) wurden identifiziert, in denen Leistungstests zum Einsatz kamen, die denen von Rauscher und Kollegen sehr ähnlich waren. Die Autorin fasste diese Studien unter dem Begriff «Studien mit zeitlich-räumlichen Leistungstests» zusammen, um damit anzudeuten, dass diese Tests dem von Rauscher und Kollegen
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