Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Macht: Thriller (German Edition)

Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David G.L. Weiss
Vom Netzwerk:
unter den Schreibtisch und machte: »Öha!« Der Chefinspektor ging in die Knie. Zwischen den Computerkabeln und Staubmäusen blitzte ein zerknülltes Papier hervor.

63
    Eleusis/Graecia, Chardad 1152
[Ingolstadt/ Bayern, Juni 1784]
    D ie Hure der Nacht bestieg das Firmament. Adolph Freiherr Knigge verfolgte Frau Lunas Schritte über den Himmelsbogen mit wachsender Gefühlsaufwallung. Der Weg vor den porzellanenen Füßen der Göttin war jung. Das Mondlicht erklomm den Dachreiter der Hohen Schule und versilberte die Dachfirste der Kollegien und Fakultäten der Universitätsstadt Ingolstadt. Ein Lufthauch bauschte die Vorhänge. Der Wind wehte exotische Düfte aus den Blumenrabatten im botanischen Garten der Anatomie durch die Fenster. Die Odeurs der Blüten und Heilkräuter überwanden den Gestank und die Miasmen aus Rinnsalen und Misthaufen. Zikaden fiedelten der Gesellschaft die Tafelmusik. Knigge bereute nicht eine der rund dreihundert Meilen, die er von der freien Reichsstadt Frankfurt nach Bayern zu der Zusammenkunft gereist war. Die Nacht nährte Hoffnungen.
    » Der Mond ist unsre Sonne, Mercurius ist unser Mann! «, intonierte Knigge aus Friedrich Schillers Die Räuber und hob das Glas.
    Die hübsche, verständige junge Dame zu Knigges Rechten errötete.
    Knigge gab das beredte Lächeln zurück, fühlte sich von der Schönen als Rebell und Libertin erkannt und wandte sich der Nachbarin links zu.
    Das kleine, garstige Fräulein von etwa vierzig Jahren erwiderte nichts. Sie drückte das Kinn zurück. Die Augen wanderten umher. Die Hände würgten die Serviette. Endlich hievte sie den Wein. Die Berührung der Gläser quittierte sie mit einem schiefmündigen Nicken. Sie nippte, stellte den Kristallbecher ab und legte die Hände in den Schoß.
    Der Freiherr Knigge seufzte leise. Er konnte das Ave Maria hinter der hohen Stirne förmlich hören.
    Die Dienerschaft kehrte aus der Küche zurück und klapperte mit Geschirr.
    Das Fräulein streckte den Hühnerhals. Ihr Blick spiegelte das Verlangen, das nur der Kavalier von der Herzensdame hoffen durfte. Doch die Glut brannte weder einem Anwesenden noch einer Sehnsucht. Die Leidenschaft galt den kandierten Früchten und dem Serviettenkloß auf den Tellern und Tabletts der Domestiken.
    Knigge seufzte. Er drehte den Siegelring des unglücksseligen Vaters an seinem Finger und richtete den Blick zur Decke. Und das ihm, einem weimarischen Kammerherrn, der als gern gesehener Kurzweilmacher viel am dortigen Hofe verkehrte!
    »Es war gewiss eine Mondnacht wie diese, als die Bestie von Gévaudan die Zähne und Klauen in ihr erstes Opfer geschlagen hat. Erinnert ihr euch, meine Herren?« Der Gastgeber blickte in die Runde, taxierte die Gesichter. »Die vierzehnjährige Jeanne Boulet aus der Pfarrei Saint-Étienne-de-Lugdarès wurde grausam entstellt tot aufgefunden. Heute auf den Tag genau vor zwanzig Jahren.« Die Gespräche verebbten. Der Hausherr schmunzelte. Adam Weishaupt war ein Mann von sechsunddreißig Jahren, mit ovalem Gesicht, gerader Nase und wachen Augen. Seit neun Jahren trug er die Titel Bayerischer Hofrat und ordentlicher Professor des Natur- und kanonischen Rechts an der Universität Ingolstadt. Der Erste auf dem Lehrstuhl für Kirchenrecht, der kein Ordensgeistlicher, kein Jesuit war. Was ihm im Klerus keine Freunde machte, aber etwas Genugtuung für erlittene Schülerschmach und Gymnasiastenpein verschaffte. Weishaupt nahm die Hand seiner Tischdame und küsste sie.
    Knigge stach den Löffel in den Pudding.
    Die Frau an Weishaupts Seite berührte ihr Dekolleté. Der Busen hob und senkte sich. Betretenes Schweigen wurde laut. Alle an der Tafel wussten, dass die »Hausfrau« die Schwester der 1780 verstorbenen Gemahlin von Professor Weishaupt war. Jener Adam und die Eva seiner Wahl lebten in wilder, blutschänderischer Ehe. Der päpstliche Dispens für die Hochzeit von Witwer und Schwägerin ließ schon drei Jahre auf sich warten.
    »Von einer solchen welschen Bestie habe ich noch nie gehört.« Das kleine, garstige Fräulein räusperte sich in die Serviette. Sie tastete nach ihrem Rosenkranz.
    Knigge lehnte sich zurück, besah das knöcherne Fräulein von der Seite und zog die Brauen hoch. Er war anno 1764 ein Knabe von zwölf Jahren gewesen, in der Fremde und unter Kuratel. Um das väterliche Gut Bredenbeck bei Hannover war es gelinde gesagt schlecht bestellt – Misswirtschaft, finanzieller Ruin und endlich Zwangsverwaltung – aber die Berichte über die Jagd

Weitere Kostenlose Bücher