Macht: Thriller (German Edition)
die Jeans, die Trekkinghalbschuhe … Bloomberg rollte innerlich mit den Augen. So einer passte nach Sankt Hanappi in Wien Hütteldorf oder auf Schalke nach Gelsenkirchen, aber nicht in ihr Büro in der Botschaft der United States of America . Die bloße Anwesenheit des Kahlgeschorenen verschliss Furnier und Polsterung der Chippendale-Möbel. Es empfahl sich, gut durchzulüften, sobald sie den Mann losgeworden war, und er wieder dahin abgetaucht war, wo er hingehörte.
Chefinspektor Wotruba lehnte sich zurück. Er beäugte die Amerikanerin und kam zu dem Schluss, dass die Lady im Jackenkleid einen Orgasmus benötigte. Eine ordentliche Brise Tea Party pfefferte den Hillary Clinton-Look. Wotruba konnte kaum nachvollziehen, dass ein patenter Kerl wie Ian Thorpe von so einer Krampfhenne Befehle annahm. Der Inspektor wippte mit dem Knie und zuckte mit den Mundwinkeln. Ob Bloomberg den blondierten Haarhelm zum Schlafen absetzten konnte? Im Augenblick bestand für Wotrubas Vis-à-vis jedenfalls die Gefahr, dass die geschminkten Mundwinkel die Unterkante ihrer Kinnlade berührten.
»Gratuliere, Chefinspektor, Sie haben also den Tarotkartenmörder verhaftet«, sagte Bloomberg spitz. »Genießen Sie den Moment Ihres Triumphs, solange er währt.« Sie begann, sich intensiv mit den Papieren in der Unterschriftenmappe zu beschäftigen. »Meine Regierung wird in Bälde Maßnahmen ergreifen –«
»Ja sicher«, unterbrach Wotruba und kratzte sich am Kinn. »Unter uns Pfarrerstöchtern: Dass jemand wie Ian Thorpe Udo Kernreiter umbringen möchte, überrascht mich nicht. Um ganz ehrlich zu sein, Thorpe ist bestimmt nicht der Erste, der sich mit dem Gedanken angefreundet hat. Und ich möchte nicht einmal abstreiten, dass selbst ich in einer schwachen Stunde …« Der Inspektor schmunzelte und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wurscht! – Der Angriff auf Kernreiter macht Agent Thorpe für mich noch lange nicht zum Tarotkartenmörder, wie das die Medien und ein paar kopfgeile Kollegen gern hätten. Das wissen Sie so gut wie ich. Der Schlüsselbund von Doktor Moosbrugger, den wir bei ihm sichergestellt haben, beweist für mich nur, dass Thorpe Kontakt zum Täter gehabt hat. Und ich habe das Gefühl, Frau Bloomberg, dass Sie mir da weiterhelfen können.«
»Was meinen Sie, Chefinspektor …« Bloomberg blickte auf und zeigte ihre weißen Zähne. »Wie war doch noch gleich Ihr Name?«
»Mein Name ist Krubak, oder Deveraux, wie’s beliebt«, erwiderte Wotruba ungerührt. »Was wissen Sie über das HAARP-Projekt , Ma’am?« Er ignorierte Bloombergs Versuch, Dominanz zu verbreiten.
» Harp ? Noch nie gehört. I am sorry .« Bloomberg schüttelte den Kopf. »Klingt in meinen Ohren nach klassischer Musik, und die ist in Wien ja wohl eher ihr Metier.« Sie beugte sich vor, verschränkte die Finger und stützte sich auf die Unterarme. »Worum geht es bei diesem › Projekt ‹ ? Um die Optimierung des Klanges von Konzertharfen?« Sie kicherte und wurde schlagartig wieder ernst. »Für solche Kinkerlitzchen habe ich keine Zeit, Inspektor. Ich behalte es mir vor, mit den höheren Chargen über Sie zu reden. – Also, wenn es Ihnen nichts ausmacht, entschuldigen Sie mich. Ich habe zu arbeiten.«
»Verarschen kann ich mich selber!« Wotruba zog die Brauen zusammen und blickte der Amerikanerin fest ins Gesicht.
Bloomberg lachte auf und lehnte sich zurück. »Was soll das werden? Demonstrieren Sie mir gerade den berühmten Wiener Charme?«
»Wiener Charme? Keine Ahnung, was das sein soll.« Wotruba grunzte und zog die Aktentasche zwischen seinen Beinen hervor. »Aber weil alle Zuagrasten andauernd davon anfangen, mein ich, das muss etwas von dem Blödsinn sein, den man den Touristen erzählt.« Er nestelte einhändig den Verschluss der Ledertasche auf, holte mehrere Blätter heraus und legte sie auf seinen Oberschenkel. »Glaubens bloß nicht, wir san auf der Nudelsuppen daher geschwommen, nur weil es in den letzten hundert Jahren für uns a bissel suboptimal gelaufen ist, oder sich ein paar von uns gern deppert stellen und sich voller Selbsthass vor die Fremden aufn Bauch legen.« Er kontrollierte Überschriften und Seitenzahlen und ließ ein Blatt nach dem anderen vor Bloomberg auf den Schreibtisch segeln. »Für Sie, Ma’am, der Lebenslauf von Ian Thorpe, einem Mitarbeiter der Agency . Mit besten Grüßen vom Heeres Abwehramt ! Ian Thorpe ist als Kind ein so genannter Hochbegabter gewesen, und als Jugendlicher schon promovierter
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