Macht: Thriller (German Edition)
Schalldämpfer in die Seite und stemmte ihn auf die Füße. » Nun, da sich der Vorhang der Nacht von der Bühne hebt, kann das Spiel beginnen, das uns vom Drama einer Kultur berichtet … « Er gab Ian Thorpe einen Tritt, dass er zu Boden ging.
Thorpe rollte sich auf den Rücken und blickte zu dem Mann auf, der sich mit dem Lederhandschuh über das akkurat gescheitelte Blondhaar strich.
Aiakos signalisierte mit der Waffe, dass der Amerikaner aufstehen und verschwinden solle.
Thorpe rappelte sich hoch und starrte auf den Bruder. Aiakos wiederholte die Geste und zeigte zwei Reihen weiße Zähne. A shark, a motherfucking shark! Ian stolperte los. Er drehte sich mehrmals nach dem Blonden um, aber der rührte sich nicht. Thorpe wurde mit jedem Schritt schneller. Er begann zu laufen. Und zu hoffen.
Aiakos amüsierte das Schauspiel. Er lockerte den Nacken, schüttelte die Arme aus und ging in die Grätsche. Der Bruder hob die Waffe und visierte den Flüchtenden an. Die Beute hinkte, humpelte und hüpfte wie ein waidwunder Laufvogel. Ein ungleicher Kampf. Adler gegen Wiedehopf.
Thorpe spürte die kalte Hand des Todes in seinem Nacken. Er lugte über die Schulter und entdeckte die Pistole mit Schalldämpfer. Ian mobilisierte alle Kraftreserven und ignorierte die Schmerzen. Er rannte Zick-Zack auf die Reihen und Stapel aus Schiffscontainern zu. Das Abknicken eines trockenen Astes echote von den Containerwänden. Ian stöhnte auf und hob die Hände an den Mund. Er atmete Blut auf seine Finger.
» MFG, mit freundlichen Grüßen! «, sagte Aiakos und pustete theatralisch den Schmauch von der Mündung der Luger. Der Amerikaner kippte vorn über und sackte zusammen. » That’s evolution, Bloomberg-Baby! Ich hab die Grüße bestellt.« Bruder Aiakos gedachte der notgeilen doppelzüngigen Ami-Tusse und steckte mit großer Geste die Waffe ein. »Kommen wir nun zu meinem Teil des Handels.«
Aiakos trat neben Ian Thorpe und löste das Messer vom Gürtel. Er klappte die Klinge aus und packte Thorpes Haarschopf. Nach wenigen geübten Schnitten hielt er ein BCI in Händen, eine vollausgereifte Gehirn-Computer-Schnittstelle . Er war am Ziel. Jetzt brauchte er nur noch das Mädchen, das unbefleckte Gefäß, das Interface der Netzwerke.
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G ernots Zunge schmeckte wie tote Maus. Es war kalt, und die Knochen taten ihm weh. Er hatte schon lange nicht mehr wie ein Sandler auf einer Parkbank gepennt. Wenigstens hatte er ein Dach über dem Kopf. Und was für eines. Szombathy drehte sich auf den Rücken, legte den Unterarm auf die Stirn und blickte zur Holzdecke hinauf. Drachen, Pfauen und Gewölk wanden sich im Reigentanz über Balken und Pfeiler. Das Licht der Morgendämmerung schimmerte durch die Windungen und Ranken der Fenstergitter. Gräser- und Blätterrauschen drangen an das Ohr. Das chinesische Teehaus im Bethmannpark war bis auf die umlaufende Bank unmöbliert. Es strahlte edle Einfalt und stille Größe aus. Das musste das Chi sein, von dem in letzter Zeit alle schwafelten. Gernot schwang die Beine von der Holzbank und trat ans Fenster. Die Oberfläche des Weihers, in dessen Grund die Pfeiler des Teehauses ruhten, war spiegelglatt. Unter den Reflexionen des grauen Morgenhimmels glitten die roten, goldenen und weißgefleckten Rücken der Kois durch das Teichwasser. Schritte näherten sich über den Kiesweg. Szombathy drehte sich um und lockerte die Glock in seinem Rücken.
Udo betrat das Teehaus, einen Pappbecher in jeder Hand. »Hab Kaffee geholt«, sagte er. »Ich musste zwar etwas suchen, aber an der Berger Straße gibt’s einen Buchladen mit Café. Auf Gebäck musst du verzichten, Bäckerei hab ich nämlich keine gefunden.«
»Danke, Udo. Das macht nichts. Das ist sehr nett von dir.«
Gernot und Udo saßen nebeneinander auf der Bank und nippten an den Kaffeebechern.
»Es tut mir leid, dass ich so grob zu dir gewesen bin.« Szombathy klopfte Kernreiter auf den Oberschenkel und räusperte sich. »Das hast du nicht verdient.«
»Doch, hab ich.« Udo nickte betreten. Er horchte auf und hob den Kopf. »Da kommt jemand über die Brücke.« Er reckte den Hals und spähte aus dem Fenster. »Ich glaube, es ist Doktor Steuben.«
Gernot stand auf und neigte den Kopf hin und her. Halswirbel knackten.
»Guten Morgen!«, trällerte Doktor Steuben und betrat mit einer Papiertüte das Teehaus. Er hielt das pralle Stück in die Höhe und zeigte darauf. »Hier sind frische Brötchen für ihr Frühstück. Den Kaffee haben Sie ja
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