Macht: Thriller (German Edition)
wochenlang einstudierte Choreographie der Eröffnung. Der Direktor rief »Alles Walzer!«, und der Donauwalzer leitete den allgemeinen Tanz ein. Gernot knackte mit den Fingerknöcheln. »Und los geht’s!«, sagte er und führte Josephine auf die Tanzfläche.
Josephine legte den Kopf zurück und kreiselte in Gernots Armen über die Tanzfläche. Er war ein besserer Tänzer, als sie angenommen hatte. Er redete nicht gern über die Tanzschule, in die ihn seine Mutter gesteckt hatte, so dass sie angenommen hatte, dass er weder besonders gut war, noch dass ihm das Tanzen Freude bereitete. Aber Gernot belehrte sie gerade eines Besseren.
Die Musik war vorbei. Gernot hatte das Gefühl, der Dampf würde ihm jeden Moment aus dem Hemdkragen pfeifen. Josephine fasste sich an die Stirn, grinste über beide Ohren und hatte Wangen rot wie Morgenwölkchen. Sie schwankte und trat unsicher von einem Fuß auf den anderen. Gernot drückte sie an sich und legte seine Wange an ihre. Er öffnete die Augen und sah den Anderen schon von weitem auf Josephine und ihn zukommen. Es gefiel ihm gar nicht, wie zielstrebig der große Blonde sich durch die Tanzpaare auf sie zubewegte. Gernot wusste sofort, wer der Kerl war. Er hieß Peter und hatte im Vorjahr das Gymnasium abgeschlossen, die Jahre davor hatte er in den schulinternen Turnieren Basketball gespielt.
Peter blieb hinter Josephine stehen und tippte ihr auf die Schulter. »Hallo«, lächelte er. »Darf ich abklatschen?«
»Nein danke, ich tanze nicht mit Männern«, antwortete Gernot. »Ob man abklatschen darf, fragt man eigentlich den Tanzpartner.«
»Und darf ich?« Peter sah Josephine in die Augen und nahm ihre Hand.
Josephine drehte sich um und sah Peter vor sich. Peter, den sie all die Jahre von der Zuschauerbank angeschmachtet hatte, wenn er seine Körbe geworfen hatte. Er hatte sie niemals beachtet, sondern nur Augen für die aufgebrezelten Kolleginnen gehabt. Josephine lachte kokett und legte ihren Arm auf Peters breite Schultern. »Ein Tanz! Da hat Gernot nichts dagegen«, kicherte sie. Der nächste Walzer begann, und Peter führte sie noch schwungvoller als Gernot über das Parkett. So einfach war das also: Ein bisschen Schminke und ein kesses Kleid, und die Männer lagen ihr zu Füßen. Da hätte sie ruhig früher draufkommen können. Josephine schwebte an den anderen Mädchen vorbei, die neidisch zu ihr herüber sahen und sich wunderten. Noch vor ein paar Tagen hatten dieselben Hühner über sie gelacht. Das Gegacker hatte sie ihnen gründlich vergällt, ihnen Spott und Häme ein für alle Mal heimgezahlt.
Gernot hörte Josephines seltsames Lachen, und im nächsten Moment waren sie und Peter weg. Er stand auf der Tanzfläche wie der Kalafati auf dem Praterringelspiel . In Gernots Körpermitte öffnete sich ein Loch. Er wurschtelte sich an den Tanzenden vorbei auf seinen Sessel.
»Wo hast du denn Josi gelassen?«, erkundigte sich Gernots Vater und unterbrach für einen Moment sein Gespräch mit dem Ehepaar Fuchs.
»Die amüsiert sich!« Frau Szombathy nippte an ihrem Wein und deutete auf die Tanzfläche, wo Josephine und Peter gerade vorbeiwirbelten. Sie hatte doch gleich durchschaut, was die junge Dame vorhatte, als sie Josi in diesem Hauch von Nichts gesehen hatte.
Gernot sagte nichts.
Vier Tänze später war seine Begleiterin immer noch nicht zurück. Gernot schenkte sich Weißwein ein und leerte das Glas auf einen Zug. Er beobachtete, wie Peter Josephine von der Tanzfläche begleitete. Die zwei kamen aber nicht zu ihm, sie steuerten den Tisch des Jahrgangs 1995 an. Peter organisierte einen Sessel für Josi, und sie setzte sich neben ihn. Gernot schleuderte seine Serviette weg, sprang auf und schob sich durch die Gäste.
Josephine genoss die Aufmerksamkeit ihres Kavaliers. Peter redete sanft auf sie ein, sah ihr mit seinen blauen Pupillen in die Augen und massierte sanft ihre Fingergelenke. Er war wirklich charmant und unterhaltsam. Verstohlen drehte sich Josephine nach dem Tisch der Szombathys um. Gernots Sessel war leer. Sie suchte die Tanzfläche ab. Udo und Sabine staksten einen Cha-Cha-Cha. An der Bar, zwischen Christoph und Gabriel, fand sie Gernot, der sich etwas zu trinken bestellte.
Gabriel und Christoph guckten verblüfft, als Gernot alleine zu ihnen kam. Seine Stirn war weiß, die Wangen rot. Ein Blick hinüber auf den 95er-Tisch verriet den beiden, was sie wissen wollten, und dass es besser war, Gernot nicht auf Josi anzusprechen.
Gernot befand, dass
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