macht weiter
hatte sie geschlossen und
zugesperrt...
Plötzlich stand für sie fest, daß nicht nur die Balkontür offen
war, sondern daß sich außer ihr noch jemand im Zimmer befand.
7
Diese Erkenntnis entsprang einer Verbindung von sechstem Sinn und jenen beinahe unhörbaren, aber verräterischen Geräuschen, wie sie durch hastige, verstohlene Bewegungen entstehen. Neben ihr auf dem Nachttisch stand eine Lampe. Vorsichtig zog sie die rechte Hand unter der Decke hervor. Wenn sie die Lampe erreichen konnte, ehe der unbekannte Gast witterte, daß sie hellwach war...
Beim Schreibtisch flammte ein dünner Lichtstrahl auf. Jetzt vergaß Mrs. Pollifax jede Vorsicht. Sie warf die Decke zurück, knipste das Licht an und hatte eine Vision. »Sie!« rief sie.
Langsam stand Robin Burke-Jones vom Fußboden auf. »Verdammt noch mal, ja«, sagte er überrumpelt.
»Und durch meine Balkontür...«
»Tut mir leid. Jetzt soll ich wohl die Hände hochhalten und so, wie?«
»Wenn Sie das glücklich macht«, sagte sie, suchte nach ihren Pantoffeln und zerbrach sich dabei den Kopf, welche Rolle er wohl spielte. Marcel hatte sie vor ihm gewarnt, trotzdem aber war sie sehr enttäuscht. Sie hatte den jungen Mann so sympathisch gefunden. »Im Augenblick wüßte ich lieber, was Sie um halb zwei Uhr nachts in meinem Zimmer suchen.«
»Ich denke nicht daran, Ihnen das zu sagen«, antwortete er trotzig.
Sie beobachtete ihn nicht, denn sie sah, daß ihr Schmuckkästchen geöffnet auf dem Schreibtisch stand. »Sind Sie bewaffnet?«
Jetzt war er sichtlich gekränkt. »Natürlich nicht.«
»Trotzdem möchte ich mich lieber selbst davon überzeugen. Hätten Sie was dagegen, die Hände hochzunehmen?«
»Natürlich habe ich«, entgegnete er. »Aber was bleibt mir denn schon übrig?«
»Gar nichts.« Mißtrauisch ging sie auf ihn zu. Jetzt erst bemerkte sie, daß er ganz in Schwarz war: schwarzer Pullover, schwarze Hosen und schwarze Schuhe mit Gummisohlen. Sie klopfte ihn ab und fand zwar keine Waffe, aber dafür wölbte sich seine linke Hosentasche verdächtig. »Raus damit«, befahl sie. »Ausleeren!«
»Mit einem Skandal ist dem Sanatorium nicht gedient«, sagte er. »Wenn ich hingegen in aller Stille verschwinde und Ihnen mein Wort gebe, daß...«
»Raus!«
Er seufzte und zog einen kleinen schwarzen Gegenstand aus der Tasche, der wie eine Lupe aussah. »Mein Handwerkszeug«, sagte er ergeben. Dann zog er ihren Smaragdanhänger und die beiden Rubinkolliers heraus. » Die Brillantnadel ist zu Boden gefallen«, erklärte er. »Sie wissen doch wohl, daß jedes dieser Stücke, für das Sie mich auf Jahre hinter Gitter bringen können, eine hundsgemeine Imitation ist?«
Mrs. Pollifax starrte ungläubig auf den Tascheninhalt. Schließlich sah sie ihn vorwurfsvoll an. »Aber Sie sind ja nur ein Juwelendieb!« rief sie.
»Was heißt hier ›nur‹?«
»Warum haben Sie das nicht gleich gesagt! Ich dachte... also, mir ist ein Stein vom Herzen gefallen.«
Ziemlich verblüfft sah er sie an. »Höre ich recht? Sagten Sie, ein Stein vom Herzen?«
»Aber ja. Sie ahnen ja nicht, welchen Unterschied das macht.« Sie ging zum Fenster, schloß die Balkontür und zog die Vorhänge zu. Und es war ihr eine große Genugtuung, daß ihre Menschenkenntnis sie doch nicht im Stich gelassen hatte. »Sind Sie das, was man einen Fassadenkletterer nennt?«
Er ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Himmel, wenn ich jetzt bloß was zu trinken hätte!«
»Warum wollten Sie überhaupt meinen Schmuck stehlen, wenn Sie ihn doch als Imitation erkannt haben?«
»Wenn Sie es unbedingt wissen müssen, weil es sich um eine verdammt gute Imitation handelt. Dafür besteht immer Nachfrage. Also was ist, werden Sie jetzt die Polizei alarmieren?«
Sie überlegte gewissenhaft. Dann schüttelte sie den Kopf. »Ich halte es für klüger, es nicht zu tun. Vorausgesetzt natürlich, daß Sie Lady Palisbury den Brillantring wieder zurückgeben.«
»Hellsehen können Sie auch?« fragte er verblüfft.
»Nein, aber zuhören und mir zwei und zwei zusammenreimen. Lady Palisbur y vermißt ihren Brillantring, und ich entdecke einen gewiegten Einbrecher in meinem Zimmer. Sie sind doch ein Profi, wie?«
»Das war ich. Bis heute nacht«, sagte er kleinlaut.
»Hat man Sie also noch nie ertappt? Dann müssen Sie aber sehr geschickt sein.«
»Einer der besten«, antwortete er trocken. »Himmel, wenn ich bloß was zu trinken hätte.«
»Verlassen Sie sich nur auf mich.« Sie holte
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