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macht weiter

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Titel: macht weiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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ausländischen Ärzte um sich wünscht. Auf Wiedersehen, Madame.«
    »Ich war ganz außer mir«, sagte Lady Palisbury zu Court. Sie standen im Garten. »John und ich haben wie gewöhnlich auf dem Balkon gefrühstückt, und kaum hatte John sich hingesetzt, da verzog er das Gesicht und sprang wieder auf. Er hatte sich direkt auf meinen Brillantring gesetzt, der zwischen die beiden Sitzkissen gerutscht war. Dort hatte er die ganze Zeit über gesteckt.«
    »Ach, das freut mich aber für Sie, Lady Palisbury!« Auf dem Rasen, nur ein paar Schritte von ihnen entfernt, lag
    Robin und ließ sich in der Sonne braten. Er sagte zu Mrs. Pollifax: »Ich werde direkt rot über meine Menschenfreundlichkeit!«
    Mrs. Pollifax sah, wie Robin die hübsche Court geradezu mit den Blicken verschlang. Ihr langes, glattes braunes Haar glänzte in der Sonne. Hinter Court tauchte jetzt eine Krankenschwester auf, die den Mann im Rollstuhl ins Freie schob. Was für ein verschlagenes, brutales Gesicht, dachte Mrs. Pollifax. Laut sagte sie zu Robin: »Mir fällt auf, daß Sie doch nicht gepackt haben und bei Nacht und Nebel abgereist sind.«
    »Ich habe mich entschlossen, noch ein paar Tage zu bleiben und Ferien zu machen, genau wie die ehrbaren Leute.« Es kostete ihn große Mühe, den Blick zu wenden. Er sagte zu Mrs. Pollifax: »Wer weiß, vielleicht reisen Sie vor mir ab, und wenn ich dann noch hier bin...«
    »Es war eine hartnäckige Grippe«, erinnerte sie ihn. »Übrigens Grippe. Im nachhinein ist mir gestern dann noch einiges eingefallen. Zum Beispiel Ihre Kassette. Ich habe sie nicht gehoben, sondern nur ein bißchen verschoben. Es ist die schwerste Schmuckkassette, die mir jemals untergekommen ist. Etwa zehn Pfund, schätze ich?«
»Vielleicht enthält sie auch meinen echten Schmuck«, erwiderte sie lachend.
Court kam über den Rasen auf sie zu. Robert sprang auf. »Miß van Roelen«, sagte er begeistert. »Ich wollte Sie eben fragen, ob Sie mich nicht vor dem Mittagessen ins Dorf begleiten möchten?«
Court sah ihn aus ihren blauen Augen gelassen an. Unschlüssig wandte sie sich an Mrs. Pollifax. »Gerne. Zu dritt?«
Mrs. Pollifax schüttelte den Kopf. »Ich muß noch einige Untersuchungen über mich ergehen lassen.«
Court stand hilflos neben Robin, und Mrs. Pollifax sah, daß sie im Grunde sehr schüchtern war. »Aber ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir vier Ansichtskarten besorgen würden«, sagte sie, um die Situation zu retten. »Das wäre wirklich reizend von Ihnen.«
Court war sichtlich froh, daß ihr die Entscheidung abgenommen worden war. »Aber natürlich«, sagte sie herzlich. »Also gehen wir.«
»Vier Ansichtskarten«, wiederholte Robin. Mrs. Pollifax, die gar keine Ansichtskarten brauchte, sah den beiden amüsiert nach. Dabei fiel ihr Blick auf den General, der sich höflich vor ihr verneigte.
Sie stand auf und setzte sich neben ihn auf den freien Stuhl. »Mrs. Pollifax«, sagte sie und gab ihm die Hand.
»General d'Estaing, Madame.« Seine Hand war warm und trocken.
»Ein prachtvoller Morgen. Geht es Ihnen heute gut?«
Aus seinem markanten, blassen Gesicht blickten erstaunliche Augen. Sie hatten immer noch einen sehr lebhaften Ausdruck. »Diese Frage ist einem uralten Mann gegenüber nicht ganz am Platz. Ich habe einen weiteren Tag überlebt, das ist alles. Kein Grund, deshalb stolz oder gerührt zu sein. Schließlich bin ich schon neunundachtzig.«
»Was Sie nicht sagen!« rief Mrs. Pollifax.
»Die Schwierigkeit liegt darin, daß man die Muße hat, über ein ereignisreiches Leben nachzudenken, aber keine Freunde, mit denen man diese Erinnerungen teilen kann.«
»Wie ich gehört habe, General, waren Sie Chef der Sûreté. Da müssen Sie die Menschen sicher sehr gut kennen?«
»Viel zu gut«, versetzte er trocken.
»Sind Sie jemals wirklich einem durch und durch schlechten Menschen begegnet?«
»Schlecht«, wiederholte er nachdenklich. In seine Augen kam Feuer. »Das fragen Sie einen Franzosen, Madame? Ich hatte das aufschlußreiche Erlebnis, einmal Hitler zu begegnen...«
»Oh!« sagte sie.
Er nickte. »Was mich am meisten an die sem Mann beeindruckte, der Millionen Juden in den Tod geschickt und den Lauf der Geschichte verändert hat, war seine Mittelmäßigkeit. Natürlich hat der Erfolg ihn in seinem Wahnsinn bestärkt, aber trotzdem war er im Grunde ein ganz durchschnittlicher Kleinbürger. Ich war schockiert, als ich entdeckte, daß die Schlechtigkeit ohne augenfälliges Merkmal sein kann. Sie ist nicht im

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