Machtlos
gewusst, was Freundschaft überhaupt bedeutet.“
Sie selbst hatte sich den Luxus einer Freundschaft bisher nie leisten können. Sie hatte gelernt, ihre Kontakte so zu wählen, dass sie ihr nützlich waren. Und gerade jetzt, da Jalina wegen ihrer Abwesenheit während Grimmarrs unangekündigtem Auftauchen außer sich war, brauchte sie Verbündete mit einer gewissen Stellung. Lexia war sich nicht sicher, ob sie noch immer Adeptin gewesen wäre, wenn die Gefährten sie nicht als Trauzeugin angefordert hätten.
Sie ließ ihren Blick über die wolkenverhangene Förde schweifen. Freunde interessierten Fehler nicht – sie konnten verzeihen.
Victoria selbst ging mit ihr Einkaufen, erklärte ihr bereitwillig die Technik der Menschen und unterhielt sich viel mit ihr. Auf jede ihrer vielen Fragen zu den Menschen bekam Lexia eine ehrliche Antwort.
Victoria räumte ihr sogar Steine aus dem Weg. Beim zweiten Treffen war Lexia mit Sabine aneinander geraten, woraufhin Victoria sich für sie eingesetzt hatte. Sie hatte Sabine erzählt, dass Lexias Familie eben anders sei und Lexia keinesfalls herzlos, auch wenn sie manchmal so rüberkommen würde. Sie wüsste vieles einfach nicht besser. Victoria hatte Sabine gebeten, darüber hinweg zu sehen und nett zu ihr zu sein. Und das hatte Sabine getan. Jetzt versuchte Victorias Freundin sogar, Lexia zu verstehen.
Außerdem hatte Victoria nach ihren Wünschen für die Umgestaltung der Quartiere gefragt, dabei würden Tujana und sie doch schon kurz nach der Hochzeit wieder abreisen.
Insgesamt bemühte sich Victoria sehr darum, dass ihr Aufenthalt in Kiel so angenehm wie möglich war, dabei war Lexia sich sicher, dass die Gefährtin von ihrem Auftrag wusste. „Sie lässt mich voll in ihre Welt eintauchen. Was hat sie davon? Ich bin so unbedeutend, dass ich ihr unmöglich von Nutzen sein kann. … Ich hingegen muss zugeben, dass ich mich hier entgegen meiner Erwartungen wohlfühle. Sogar Victorias Freunde gefallen mir irgendwie. Und Victoria selbst…, ja … sie ist freundlich und zuvorkommend, aber sie buhlt nicht um mich und versucht auch nicht mich zu bestechen. Nein, sie ist anders. Fast so, als würde sie sich wirklich für mich interessieren. Warum nur tut Victoria das alles? Aber vielleicht ist sie einfach so…“
Nur wenige Tage nachdem sie Victoria die Erlaubnis erteilt hatte, Tujana Fragen zu stellen, hatten die beiden auch schon Freundschaft geschlossen. Aber eine Freundschaft zu einer Grünen brachte einem rein gar nichts, das wusste Lexia. „Auch wenn ich zugeben muss, dass Tujana mich wirklich erstaunt hat mit dem, was an Talent in ihr steckt.“
Lexia seufzte tief und blickte ein letztes Mals aufs Wasser, bevor sie in den Düsternbrooker Weg zu Jaromirs Anwesen abbog.
Alles in allem waren die Humanoiden jedenfalls nicht so primitiv, wie ihre Mentorin ihr immer hatte weismachen wollen. Allein schon die unzähligen technischen Errungenschaften, die die Menschen trotz ihrer kurzen Lebensspanne hervorgebracht hatten, sprachen dagegen. Wenn sie zusätzlich noch die Magie nutzen könnten, dann hätten sie mit Sicherheit großes Potenzial, das irgendwann vielleicht sogar eine partnerschaftliche Existenz mit den Drachen zulassen würde.
Doch von all den neuerlichen Leistungen der Menschen war in den Archiven der Goldenen nichts zu lesen. Offenbar wusste ihre Rasse nichts davon. Bei der Entwicklungsgeschwindigkeit in den letzten Jahrzehnten war das aber eigentlich nicht wirklich verwunderlich.
„Morgen ist meine Aufnahmezeremonie als Adeptin. Sicher werden sie mich im Rahmen des Reinigungsrituals auffordern, einen Bericht abzugeben und vielleicht wird unser Verhältnis zu den Menschen dann überdacht. Schließlich könnten wir so manches von ihrer Technik gut gebrauchen. Wenn ich da nur an die Emails denke – sie wären ein großer Fortschritt im Vergleich zu unseren alten Pergamenten.“
Inzwischen war Lexia beim Haus Brookstedt angekommen. Albert öffnete ihr die Tür und nahm ihre Jacke ab.
Lächelnd betrachtete sich die Goldene im großen Spiegel der Empfangshalle. Die legere Kleidung, die sie zu den Treffen mit Victorias Freunden trug, gefiel ihr immer besser.
41. Night fever
Zieh dich bloß nicht zu schick an.“, meinte Victoria nervös, als Jaromir und sie sich eine Woche später am Freitagabend für die Semesterstartparty im Minzzo fertig machten.
Jaromir lächelte amüsiert und zog ein anthrazitfarbenes Hemd und eine ausgewaschene Jeans aus seinem
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