Machtlos
Wächter!“ Jalinas Gedankenstimme war unnachgiebig. Sie drehte sich kurz zu ihren Getreuen um. „Bring sie her, Furiana. Der Truchsess wird es erst glauben, wenn er die beiden mit eigenen Augen sieht.“
Wenig später brachten zwei Goldene einen weißen Drachen und eine Indiofrau herein. Die Frau – nein, das Mädchen – trug die traditionelle Tracht der Aymara mit Hut und weiten bunten Röcken. Zwei dicke, schwarze Zöpfe fielen über ihren Rücken. Auch der Weiße war blutjung, eher jugendlich als erwachsen. Kaum sahen sich die zwei, stürzten sie verzweifelt aufeinander zu und klammerten sich aneinander. Beide waren nicht abgeschirmt und so konnte Abrexar erkennen, dass es tatsächlich Gefährten waren. Er war sich ziemlich sicher, dass sie die Offenbarungsphase noch keinen Monat hinter sich gelassen hatten.
Abrexar sah Jalina ungläubig an. Er wollte gerade fragen, was das sollte, da fiel ihm auf, dass die beiden litten. … Sie waren offenbar getrennt worden.
Jalina gab Furiana ein Zeichen und schon wurden die Gefährten wieder auseinandergerissen und in verschiedene Richtungen fortgebracht. Das Mädchen schrie verzweifelt nach dem Weißen und schlug um sich, bis ein Zauber sie ruhig stellte.
Abrexar Augen wurden schmal vor Zorn, als er fauchte: „Warum tust du ihnen das an?“
„Glaubst du mir gefällt es, Benan und Naira so zu sehen? Denkst du wirklich, ich hätte Spaß daran, Abrexar?“ Jalina blickte in die Runde der Versammlung.
Ihr Gesicht drückte tiefes Bedauern und Mitgefühl aus, doch sie straffte sich und sprach weiter: „Benan kam mit seinem Mentor vor ein paar Tagen zu uns. Er suchte nach Hinweisen über Beziehungen zwischen Menschen und Drachen. Da wurden wir natürlich hellhörig. Wir stellten fest, dass sein Mentor ein guter Freund des Torwächters Rastex in La Paz ist. Die beiden Weißen haben den Wächter in den letzten Monaten häufiger besucht. Benan fand die Fachgespräche der beiden Alten offenbar wenig fesselnd und begann, die Gegend zu erkunden. Dort traf er auf Naira. Den Rest könnt ihr euch sicher denken.
Als wir sie fanden, waren sie glücklicherweise noch nicht endgültig miteinander verbunden und wir tun alles dafür, dass das auch so bleibt, denn mit jedem Gefährtenpaar locken wir die Dämonen stärker an und gefährden unsere Sicherheit. Das dürfen wir nicht zulassen und das werden wir nicht zulassen – auch wenn es für diese zwei ein großes Unglück sein mag.“
Dann sah Jalina wieder Abrexar an. „Genau aus diesem Grund darf ich Victoria keine grüne Heilerin schicken. Victoria steht an der Schwelle des Todes. Das ist fürchterlich für alle, die sie kennen und schätzen. Doch ich darf als Vorsitzende des Großen Rates keine Rücksicht auf persönliche Gefühle nehmen. Ich bin verpflichtet, an die Sicherheit aller zu denken und nicht nur an die von Jaromir. So leid es mir tut, Abrexar, unser Volk ist sicherer, wenn Victoria stirbt. Ich werde sie nicht töten, aber ich darf eben auch nicht um ihr Leben kämpfen.“
Erneut wandte sich Jalina an die Versammlung: „Außerdem kann ich nur jedem davon abraten, ihr weiter astrale Energie zu spenden. Mit jeder Spende werden wir schwächer und die dunkle Brut stärker. Das dürfen wir nicht tun!“
Zustimmendes Gedankengemurmel summte durch den Raum. Die Bedrohung durch die Dämonen weckte uralte Ängste in den Drachen – sie wollten vor allem Schutz.
Jalina wirkte mitgenommen. Offenbar hatte sie an der Entscheidung schwer zu tragen.
Noran meldete sich aus der Abordnung der Weißen: „Deine Theorie in allen Ehren, Jalina. Aber kannst du beweisen, dass es nicht gerade umgekehrt ist? Was, wenn das Eindringen der Dämonen die Zahl der Gefährten hat ansteigen lassen und nicht umgekehrt? Immerhin waren es damals die Gefährten, die maßgeblich an der Versiegelung der Tore beteiligt waren…“
Zweifel keimten bei dem einen oder anderen Zuhörer auf.
„Mein lieber Noran“ , antwortete Jalina müde, „wie sehr wünschte ich, dass du Recht hast.
Doch da ist noch etwas. Warum verschwanden die Gefährten spurlos von einem Tag auf den anderen, kaum, dass das letzte Tor verschlossen war? Wir haben in unseren Archiven geforscht und wenig gefunden. Irgendwas muss unsere Vorfahren dazu bewogen haben, die Gefährten aus unserer Erinnerung zu verbannen. Waren sie eine zu große Gefahr? Ich habe darauf keine Antwort.
Genauso wenig kann ich meine Theorie beweisen, aber meine lieben Freunde“ , sie blickte fragend in
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