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Machtlos

Machtlos

Titel: Machtlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Benden
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Gefährten ihre Gläser. Gleich würden sie diese Welt gemeinsam für immer verlassen.
    „Schnell, Victoria. Sie lügt! Sieh hinter die Illusion!“ , forderte Jaromir scharf. Er hatte die Wahrnehmung seiner Gefährtin geteilt.
    Victoria erschrak.
    Jalinas Geschichte hatte sie so gefangen genommen, dass sie nicht mehr auf die Ränder der Erinnerung geachtet hatte. Sie schimmerten blassrosa. Rasch näherte sich Victoria der Illusion und warf einen Blick dahinter.
    Tarin griff nach ihrem Glas. Es schien Victoria, als hatte man die Erinnerung bis zu dem ersten Toast von der goldenen Königin zurück gespult. Die Stimmung war ausgelassen und fröhlich.
    Tarin hob ihr Glas feierlich den Gästen entgegen. Der Kelch war aus kunstvollem Kristall und mit einer durchsichtigen, leicht roten, sprudelnden Flüssigkeit gefüllt. „Auf euch, meine Freunde! Auf dass es immer Gefährten unter uns geben möge!“
    Auch die Gefährten erhoben glücklich und stolz ihre Gläser und prosteten der Königin zu.
    Carlex und Luise forderten kraftvoll: „Ein dreifaches Hurra auf den Sieg!“
    Die Halle der Goldenen erbebte unter den Rufen.
    „HIPP, HIPP, HURRA!“
    „HIPP, HIPP, HURRA!“
    „HIPP, HIPP, HURRA!“
    „PROST!!!“
    Mit unbeschwertem Gelächter leerten alle Gefährten in der Halle gleichzeitig ihre Gläser.
    Plötzlich füllte eine unbeschreibliche Angst den Raum.
    Tarin seufzte erleichtert. Sie musste ihre wahren Gefühle nun nicht mehr zurückdrängen und beobachtete zutiefst befriedigt, dass ihr Plan aufgegangen war.
    Die ersten Menschen sackten leblos in sich zusammen. Kostbare Kelche zersprangen auf dem derben Felsboden in tausend Scherben. Weitere Menschen zuckten und verrenkten sich merkwürdig. Auch die Drachen konnten sich nicht gegen das Gift wehren. Ihr Todeskampf war verzweifelt und ganz sicher schmerzvoll, aber vor allem eines: kurz. Nach fünf Sekunden war kein einziger Gefährte mehr am Leben.
    Sorgfältig stellte Tarin ihren Kelch ab. Das Gift in dem roten Waldblaubeersekt war sehr potent. Sie wollte lieber nicht damit in Kontakt kommen. Dann ließ sie ihren Blick über den Leichenteppich in der Halle schweifen. Das Licht funkelte auf den unzähligen Scherben der edlen Gläser.
    „Wie schade um die schönen Kelche…“ , dachte sie voller Bedauern. Dann sah sie eine der Dienerinnen an. „Sorge dafür, dass die Kadaver in die Nebel entsorgt werden. Es darf keine Spuren geben.“
    Victoria zog sich wie betäubt von der Wahrheit in Jalinas Geist zurück. Sie bekam noch das Ende der Lüge mit, welche die Königin in ihrem offenen Geist zur Schau stellte.
    Feierlich leerten die Gefährten ihre Kelche und ließen sie dann achtlos auf den Boden fallen. Die Menschen stiegen auf die Rücken ihrer Gefährten. Sofort stießen sich die Drachen ab und sprangen in die Nebel. Carlex und Luise waren die letzten. „Leb wohl, Tarin – bewahre unser Andenken … im Verborgenen.“ Und dann sprangen auch sie in die Sphäre.
    Zurück blieb die resignierte Tarin mit ein paar goldenen Dienerinnen vor einem Meer voller funkelnder Kristallscherben.
    Victoria war fassungslos. Sie wollte nicht glauben, dass die Goldenen so bodenlos niederträchtig waren und doch wusste sie, dass das die Wahrheit war. Sie hatte den Massenmord in Jalinas Geist mit angesehen.
    Plötzlich erfasste Victoria eine nie gekannte Wut. Glühend heiß schoss der Zorn durch ihre Adern und spülte jegliche Zurückhaltung fort. Ohne nachzudenken zeigte sie auf die goldene Königin und rief aufgebracht: „Sie sind nicht in die Nebel gesprungen! Ihr habt sie umgebracht! Ihr Goldenen habt alle Gefährten umgebracht!“
    Jalina erstarrte.
    Alle erstarrten.
    Ohrenbetäubendes Schweigen erfüllte die Halle.
    Verwirrung machte sich unter den Drachen breit. Verwirrung und Unglaube.
    Von einem Moment auf den anderen begriff Jalina, dass Victoria hinter ihre Lüge sehen konnte. Fassungsloses Entsetzen ergriff die Königin, wurde aber sofort von dem kühlen Entschluss abgelöst, dass Victoria sterben musste. Noch heute. Jetzt!
    Das unbrechbare Versprechen strafte Jalina für diesen Gedanken mit Schmerzen, doch die Königin drängte sie energisch an den Rand ihres Bewusstseins. Sie würde einen Weg finden, das Versprechen auszuhebeln.
    Gleichzeitig wurde die besinnungslose Wut machtvoll von Victoria distanziert. Nüchtern bemerkte die Gefährtin, dass Jaromir zu dieser Klarheit nicht im Stande wäre. Den Zauber musste also jemand anderes gewirkt haben. Abrexar.
    Zornig

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