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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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gewesen, wenn du hättest dienen müssen, kämpfen, unter den Fahnen? … Jaja! Hippolyte!«
    Und im Fortgehen verkündete Homais, solche Sturheit könne er nicht begreifen, solche Blindheit gegenüber den Segnungen der Wissenschaft.
    Der Unglücksmensch gab nach, denn es war wie eine Verschwörung. Binet, der sich nie in die Angelegenheiten anderer mischte, Madame Lefrançois, Artémise, die Nachbarn und sogar der Bürgermeister, Monsieur Tuvache, alle ermutigten ihn, tadelten ihn, redeten ihm ins Gewissen; den Ausschlag aber gab am Ende, dass es ihn nichts kosten werde . Bovary wollte sogar das Gerät für die Operation bereitstellen. Von Emma stammte dieser großzügige Einfall; und Charles war einverstanden, denn er sagte sich im Innersten, seine Frau sei ein Engel.
    Mit den Ratschlägen des Apothekers und nach dreimaligem Anlauf ließ er vom Tischler, unter Beihilfe des Schlossers, eine Art Kiste bauen, die etwa acht Pfund wog und bei der mit Eisen, Holz, Blech, Leder, Schrauben und Muttern nicht gegeizt wurde.
    Um jedoch zu wissen, welche Sehne Hippolyte durchtrennt werden sollte, musste man zunächst einmal feststellen, welchen besonderen Fall von Klumpfuß er hatte.
    Er hatte einen Fuß, der mit dem Bein eine fast gerade Linie bildete und zugleich einwärts gedreht war, sodass es sich um einen Pferdefuß mit etwas Varus handelte oder um einen leichten Varus mit ausgeprägter Neigung zum Pferdefuß. Doch auf diesem Pes equinus , wirklich so breit wie der Fuß eines Pferdes, mit runzliger Haut, harten Sehnen, mächtigen Zehen, deren schwarze Nägel aussahen wie Hufeisenstifte, galoppierte der Strephopode von früh bis spät umher wie ein Hirsch. Man sah ihn ständig auf dem Marktplatz um die Fuhrwerke springen, wobei er die verkrüppelte Extremität nach vorn schleuderte. Er schien in diesem Bein sogar mehr Kraft zu haben als im anderen. Lange Zeit hatte es gute Dienste geleistet und sich dabei gewissermaßen die Charaktereigenschaften Geduld und Ausdauer erworben, und gab man ihm irgendeine schwere Arbeit, diente es ihm vorzugsweise als Stütze.
    Da es nun also ein Pferdefuß war, musste die Achillessehne durchtrennt werden, später konnte man sich immer noch den vorderen Schienbeinmuskel vornehmen, um den Varus zu beseitigen; der Arzt wagte nicht zwei Operationen auf einmal, er zitterte schon jetzt, aus Furcht, er könnte einen wichtigen Körperteil verletzen, der ihm unbekannt war.
    Weder Ambroise Paré, der zum ersten Mal nach Celsus, mit einem Abstand von fünfzehn Jahrhunderten, die gezielte Ligatur einer Arterie vornahm, noch Dupuytren, der durch eine dicke Schicht Hirnmasse einen Abszess öffnete, noch Gensoul, als er zur ersten Oberkieferentfernung schritt, hatte so rasendes Herzklopfen, so bebende Finger, so angespannte Geisteskräfte wie Monsieur Bovary, als er zu Hippolyte trat, sein Tenotom in der Hand. Und wie in Krankenhäusern sah man daneben, auf einem Tisch, einen Haufen Scharpie, gewachste Fäden, viele Binden, eine Pyramide von Binden, alles, was der Pharmazeut vorrätig hatte an Binden. Denn Monsieur Homais hatte seit dem frühen Morgen all diese Vorbereitungen getroffen, und zwar ebensosehr um die Menge zu beeindrucken, wie um sich selbst in Träumen zu wiegen. Charles stach in die Haut; man hörte ein kurzes Knacken. Die Sehne war durchtrennt, die Operation war beendet. Hippolyte konnte es gar nicht fassen; er beugte sich über Bovarys Hände und wollte sie abküssen.
    »Schon gut, beruhige dich«, sagte der Pharmazeut, »du kannst deinem Wohltäter auch später noch deine Dankbarkeit ausdrücken!«
    Und er ging hinunter, um das Ergebnis fünf oder sechs Neugierigen auszumalen, die im Hof standen und sich einbildeten, Hippolyte werde gleich erscheinen, aufrechten Ganges. Nachdem Charles seinen Patienten in den mechanischen Apparat gepackt hatte, begab er sich nach Hause, wo Emma ihn angsterfüllt auf der Türschwelle erwartete. Sie fiel ihm um den Hals; man setzte sich zu Tisch; er aß viel, und beim Dessert wollte er sogar eine Tasse Kaffee, eine Ausschweifung, die er sich nur sonntags gestattete, mit Gästen.
    Der Abend war bezaubernd, angefüllt mit Plaudereien, gemeinsamen Träumen. Sie sprachen über ihren künftigen Reichtum, planten Verbesserungen für ihren Hausstand; er sah sein Ansehen wachsen, sein Wohlbefinden zunehmen, seine Frau auf immer und ewig in ihn verliebt; und sie war glücklich, sich erquicken zu können durch ein neues Gefühl, ein reineres, besseres, ja, ein

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