Madame Bovary
sein
Benehmen.
Nicht mehr wie einst hatte er für sie jene süßen Worte, die Emma
zu Tränen rührten, nicht mehr die stürmischen Liebkosungen, die sie
toll gemacht hatten. Und so kam es ihr vor, als ob der Strom ihrer
eignen großen Liebe, in der sie völlig untergetaucht war, niedriger
würde; sie sah gleichsam auf den schlammigen Grund. Vor dieser Erkenntnis schauderte sie, und
darum verdoppelte sie ihre Zärtlichkeiten. Rudolf indessen verriet
seine Gleichgültigkeit immer mehr.
Emma war sich selber nicht klar darüber, ob sie es bereuen
müsse, sich ihm geschenkt zu haben, oder ob es nicht besser für sie
sei, wenn sie ihn noch viel mehr liebte. Dann aber begann sie ihre
Schwachheit als Schmach zu empfinden, und der Groll darüber
beeinträchtigte ihr den sinnlichen Genuß. Sie gab sich ihm nicht
mehr hin, sie ließ sich jedesmal von neuem verführen. Aber er
meisterte sie, und sie fürchtete sich beinahe vor ihm.
Ihre Beziehungen zueinander gewannen nach außen ein harmloses
Gepräge wie nie zuvor. Das war so recht nach Rudolfs Wunsch. So war
ihm der Ehebruch recht. Nach einem halben Jahre, als der Frühling
ins Land kam, waren sie fast wie zwei Eheleute zueinander, die ihre
Liebesopfer an der gemütlichen Flamme des häuslichen Herdes
bringen.
Um diese Zeit schickte Vater Rouault wie alljährlich eine
Truthenne zur Erinnerung an das geheilte Bein. Mit der Gabe kam,
wie immer, ein Brief. Emma zerschnitt den Bindfaden, mit dem er an
den Korb gebunden war, und las die folgenden Zeilen:
»Meine liben Kinder, hofentlig trift euch di hir gesund und wol
und is si so gut wi di früeren. Mir komt sie nämlig ein bissel
zarter vor sozusagen nich so kombakt, das nächste mal schik ich
euch zur abwekslung mal einen Han oder wolt ür liber ein par junge
un schikt mir den Korb zerük, bite un auch di vorgen, ich hab
Unglük mit der römise gehabt der ihr Dach ist mir neulig nachts bei
dem grosen Sturm in die Bäume geflogen, die ernte ist diesmal nich
besonders berümt. Kurz und gut ich weis nicht wan ich zu euch zu
besuch kome, das ist jez so ne Sache, ich kan schwer vom Hofe weg
seit ich allein bin meine arme Emma.«
Hier war ein großer Absatz, als ob der gute Mann seine Feder
hingelegt hatte, um dazwischen eine Weile zu träumen.
»Was mich anbelangt so gehts mir leidlig bis auf den Schnuppen
den ich mir neulig auf der messe in Yvetot geholt hab wo ich war,
einen neuen Schäfer zu mieten. Den alten hab ich nämlig
nausgeschmisen wegen seiner Grosen klape. Es is wirklig schrecklig
mit diesen Gesindel, mausen tat er übrigens auch.
»Von nem Hausierer der vergangnen Winter durch eure Gegend
gekomen is und sich bei euch nen Zan hat zihn lasen, hab ich
vernomen das Karl imer feste ze tun hat. Das wundert mich kar nich
und den Zan hat er mir gezeigt. Ich hab in zu ner tase Kafee
dabehalten. Ich fragt in ob er dich auch gesehen hat, da sagte er
Nein aber im Stale häte er zwei Gäule stehn sehn woraus ich schlise
das der kurkenhandel bei euch gut geht. Das freut mich sehr meine
liben Kinder der libe got mög euch ales möglige Glük schenken. Es
tut mir sör leid das ich mein libes Enkelkind Berta Bovary noch
imer nich kene. Ich habe für si unter deiner Stube ein
Flaumenbäumgen geflanzt. Das sol nich angerürt werden auser später
um die Flaumen für Berta einzumagen. Di werde ich dan im schrank
aufheben und wen si komt krigt si imer welge. Adiö libe Kinder. Ig
küse dich libe Emma un auch dich liber Schwigerson und di kleine
auf ale beide Baken un verbleibe mit tausen Grüsen euer euch
libender Vater
Theodor Rouault.«
Ein paar Minuten hielt sie das Stück grobes Papier noch nach dem
Lesen in den Händen. Die Verstöße gegen die Rechtschreibung jagten
sich in den väterlichen Zeilen nur so, aber Emma ging einzig und
allein dem lieben Geist darin nach, der wie eine Henne aus einer
dicken Dornenhecke allenthalben hervorgackerte. Rouault hatte die
noch nassen Schriftzüge offenbar mit Herdasche
getrocknet, denn aus dem Briefe rieselte
eine Menge grauen Staubes auf das Kleid der Leserin. Sie glaubte,
den Vater geradezu leibhaftig vor sich zu sehen, wie er sich nach
dem Aschekasten bückte. Ach, wie lange war es schon her, daß sie
nicht mehr bei ihm war! Im Geiste sah sie sich wieder auf der Bank
am Herde sitzen, wie sie das Ende eines Steckens an der großen
Flamme des Funken sprühenden Ginsterreisigs anbrennen ließ. Und
dann dachte sie zurück an gewisse sonnendurchglühte Sommerabende,
wo die Füllen so
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