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Madame Butterflys Schatten

Madame Butterflys Schatten

Titel: Madame Butterflys Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Langley
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genähte Naht eine gezackte Narbe über den Handrücken und weiter den Arm hinauf. Auch seine Seele trug Narben. Einen Moment brachte sie kein Wort heraus, schluckte, streichelte nur die verwundete Hand. Schließlich fragte sie ihn nach Frankreich.
    In den Vogesen, erklärte er ihr, als führe er eine Statistik an, betrug die Lebenserwartung siebzehn Tage … Er hielt inne.
    Er schreit nach einer Trage für Otishi, der Mann hier braucht eine Trage. Über die Kakophonie aus Geschützfeuer und Flüchen hinweg wird ihm der Befehl zugebrüllt weiterzugehen, Tote brauchen keine Trage. Der Angriff wird fortgesetzt. Die Männer laufen weiter, stolpern, trampeln auf den zerfetzten Körpern der Gefallenen herum. Und die Texaner werden befreit, der Einsatz wird als Erfolg bezeichnet.
    »Erzähl mir von Frankreich«, sagte Nancy noch einmal. Er schüttelte den Kopf. Strich mit der Hand an den über dem Bett aufgereihten Büchern entlang. »Nance, du erinnerst dich doch an Whitman: ›Ich spiele Märsche nicht nur für anerkannte Sieger …‹« Sie fiel ein: »›Ich spiele Märsche für Besiegte und Erschlagene.‹«
    »Genau. Aber dann sagt er, dass er auch für die Generäle spielt. Für die Generäle? Arschlöcher wie Dahlquist und Mark Clark und MacArthur, die Männer in den Tod schickten, während sie sich Notizen für ihre Memoiren machten? Märsche für die Generäle ? Blödsinn.«
    Er hatte nicht die Absicht gehabt, sie mit diesen Gedanken zu belasten.
    »Weißt du, wovon wir geträumt haben dort drüben? Von einer guten Tasse Kaffee.«
    »Kommt sofort«, erwiderte sie.
    Als er ihre Hand losließ, sah er, dass sie einen Ring trug: einen breiten, fein ziselierten Goldreif mit einer dunkelblauen Emailleeinlage. Er strich leicht darüber.
    »Den habe ich noch nie gesehen.«
    »Das war ein Abschiedsgeschenk. Von einem Freund.«
    »Hübsch.«
    Vorsichtig stieg sie die steile Treppe hinunter. Wenn er sich ausgeruht hatte, wieder in ein normales Leben zurückgefunden hatte, würden sie Zeit haben, über seine Zukunft zu sprechen: Das Gesetz zur Wiedereingliederung der Soldaten bot den Männern die Möglichkeit, Pläne zu schmieden, Entscheidungen zu treffen – ein Privileg, das den Veteranen des Ersten Weltkriegs nie gewährt worden war.
    In der Küche zog sie den Ring vom Finger und las die auf der Innenseite eingravierten Worte: Il buon tempo verrà . Die guten Zeiten kommen noch.
    »Der Ring ist alt«, hatte Charles gesagt. »Ich habe den Spruch eingravieren lassen. Dasselbe stand in dem Ring, den Shelley aus Italien mitbrachte.«
    Nur ein einziges Mal hatte sie gegen die Übereinkunft verstoßen, sich in ihrer Blase gegen die Kümmernisse der Welt draußen abzuschotten, und zwar als sie den Brief erhalten hatte, in dem Joey ihr mitteilte, dass er sich freiwillig gemeldet hatte und auf dem Weg an die Front war. Als Charles zu ihr kam, war sie in Tränen aufgelöst, und er hatte sie getröstet und ihr zugehört, während sie weinte und redete, nicht nur von Joey im Kriegsgebiet, sondern auch von Ben, dem schönen Schwimmer, der im brackigen Wasser des Anacostia ertrunken war.
    Er hatte ein zusammengefaltetes Taschentuch aus der Tasche gezogen und ihr vorsichtig die Tränen abgewischt.
    »In England hat vor ein paar Jahren auch ein Marsch stattgefunden. Fünfhundert Kilometer von Jarrow nach London, die Männer forderten Arbeit. Die jüngeren von ihnen sind inzwischen vermutlich an der Front.«
    Charles war verschlossen, er sprach kaum über seine Arbeit, seine Erklärungen blieben vage, verschwommen. In seinem Leben waren die Dinge »kompliziert« oder »schwierig«, selbst seine Abreise hatte mit »Dingen« zu tun, die die Botschaft betrafen. Mehr gab es dazu nicht zu sagen. Aber an diesem Tag war es anders; er begleitete Nancy durch ihre Angst um Joey, sprach von den Problemen, die eine Familie mit sich brachte.
    »Wenn sie klein sind, machen sie dir kleine Sorgen – aufgeschlagene Knie, Raufereien in der Schule. Wenn sie größer werden …« Eine Geste hilfloser Besorgnis.
    Er hatte zwei Töchter. »Eine von ihnen ist ein Land Girl – leistet als Landwirtschaftshelferin ihren Beitrag zu den Kriegsanstrengungen. Die andere ist Krankenschwester. Liebe Mädchen.« Er hielt einen Moment nachdenklich inne. »Ich glaube, ich kenne sie nicht besonders gut.« Längeres Schweigen.
    »Ihre Mutter …« Nancy fiel auf, dass er »ihre Mutter« sagte und nicht »meine Frau«. »Ich glaube, sie kenne ich auch nicht besonders gut.

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