Madame Fabienne
Fußabdrücken auf dem Boden?
"Es wird noch eine Weile regnen."
Hatte Fabienne seine Gedanken gelesen? Er sah sie fragend an.
"Wir haben getan, was wir tun konnten."
Véronique legte die Schaufel in den Kofferraum des Mercedes und wandte sich dann an ihn, "Du musst schweigen."
Er sagte nichts.
Sie stand nun dicht bei ihm, ihr blasses Gesicht war mit Schmutz verschmiert, "Du darfst niemand davon erzählen."
Fabienne zeigte auf ihn, "Niemand."
"Ich weiß."
"Gut", Fabienne hielt sich mit einer Hand den Mantel zu. "Außerdem ist es notwendig, dass du dich an die Fabrik wendest. Wir brauchen unser Geld."
Beinah hätte er gelacht, aber er konnte es noch verhindern. "Ich kümmere mich darum."
Fabienne sah ihn einen Moment an, "Gut." Sie wies mit dem Kopf auf den dunkelblauen Audi, "Fahr jetzt."
Er nickte den beiden Frauen noch mal zu und ging dann zu dem Wagen. Es dauerte einen Moment, bis er die Arbeitshandschuhe ausgezogen hatte: Wie taub sich seine Finger anfühlten. Er ließ den Motor an, und als er davonfuhr, sah er noch mal in den Rückspiegel: Die zwei Frauen standen immer noch dicht beisammen und schauten ihm nach. Es nieselte, und die Nebel drehten sich um die beiden.
Ihre Gesichter konnte er nun nicht mehr erkennen, nur noch ihre Gestalten. Was die zwei wohl hinter seinem Rücken ausgemacht hatten? Und wie würde sein Leben jetzt eigentlich weitergehen? Immerhin war er teilweise für das verantwortlich, was hier passiert war, oder sah er das falsch?
Nein, eigentlich nicht. Aber er würde doch einen Weg finden, um das zu überstehen, oder? Er wollte doch frei sein.
26
Bikem Taschkan stand vor einem der Monitore und sah zu, wie Gaston Roque-Maurel das Gebäude betrat. Er hatte einen Arm in der Schlinge, und an seinem Kopf konnte man ein Pflaster erkennen. Er wurde von zwei Personen begleitet, einer Frau mit asiatischen Gesichtszügen und einem Mann, der athletisch aussah.
Wenn der alte Gaston persönlich nach Lu kam, musste etwas Besonderes anstehen. Vielleicht könnte sie erfahren, was es war.
Sie nahm ihren Notizblock und ging nach nebenan ins andere Büro, wo Luigi Vacaro an seinem Schreibtisch saß. Er trug eine Brille mit schwarzem Gestell und sah von seinen Unterlagen auf, als sie näher kam: "Was gibt es denn?"
"Gaston Roque-Maurel ist auf dem Weg hierher."
"Gut", Vacaro stand auf und knöpfte sich sein Jackett zu. "Ist er allein gekommen?"
"Nein, zwei Kämpfer sind dabei."
"Das ist normal. Seit wann ist er in der Stadt?"
"Gestern Nacht ist er sehr spät eingetroffen. So wie es aussieht, waren zumindest zwei seiner Leute schon vorher da und haben sich umgeschaut."
"Ist er wieder im gleichen Hotel?"
Bikem sah auf ihre Notizen, "Er schon."
"Was heißt das?" Vacaro fuchtelte mit einer Hand durch die Luft, "Machen Sie's nicht so spannend. Wen hat er denn mitgebracht?"
"Er hat sein Sekretariat dabei, eine Köchin, eine Fahrerin und etliche Samurais."
"Wie viele?"
"Mindestens elf direkt bei ihm, aber wahrscheinlich hat er seine Leute in der Stadt verteilt, damit es weniger auffällt."
"Das sieht ihm ähnlich. Wer sind die beiden Kämpfer, die ihn begleiten?"
Bikem sah noch mal auf ihre Notizen: "Ein Franzose arabischer Herkunft, und dann ist da noch diese Frau, schwarze Haare und asiatische Gesichtszüge. Sie soll sehr gut Karate können, sagen unsere Leute. Aber sie spreche kein Deutsch."
Man hörte nun, wie nebenan das Telefon anfing zu klingeln; Luigi Vacaro wies mit dem Kopf zur offenen Tür, "Das wird er sein. Gehen Sie ihm bitte entgegen."
Sie lief zurück in ihr Büro und hob ab: Es war jemand vom Empfang, Gaston Roque-Maurel sei auf dem Weg und könne jeden Moment bei ihnen ankommen. Sie ging also nach draußen auf den Flur, wo sonst niemand zu sehen war. Ob Roque-Maurel sich an sie erinnern könnte, immerhin waren sie sich schon mal begegnet.
Es war schon seltsam, dass er auf einmal hier auftauchte. Denn es hatte doch geheißen, er wäre nach seinem Unfall fast tot gewesen.
Man hörte nun Schritte, und im nächsten Moment erschien Gaston Roque-Maurel. Er trug einen beigen Anzug, und einer seiner Unterarme war eingegipst. Zwischen seinen Haaren konnte man auch ein Pflaster erkennen, dort musste er sich wohl den Kopf aufgeschlagen haben. Offenbar hatte er sie nun bemerkt, denn seine Miene veränderte sich; vielleicht überlegte er, wer sie war. Er kam ihr jetzt hagerer vor als früher, und sein Gesicht erinnerte an einen Raubvogel, der ausgezehrt war, weil er auf der Jagd
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